16. Greatwall Marathon 2013

Marathonlauf auf der Chinesischen Mauer

Lauf- und Erlebnisreise im Reich der Mitte

2.9. – 16.09.2013 von Bernd Neumann – Fotos: Bernd Neumann, B. Vielhaber, C. Dietrich

 Ich erfülle mir einen weiteren Traum mit dieser Reise nach China in das Reich der Mitte. Im Februar habe ich die Trauminseln der Seychellen besucht und dort auch Marathon auf der Felseninsel Mahé gelaufen. Nun beginnt mit dieser Reise eine Reise in eine ganz andere Welt, in das Land von Marco Polo, genau gesagt reise ich in die Volksrepublik China. Bisher sind die Chinesen immer nach Kassel zur Documenta, der bedeutendsten Kunstausstellung der Welt gekommen, nun reise ich in das Land. Mir geht es wahrscheinlich ähnlich wie den Chinesen, was soll ich mir alles ansehen um einen wirklich winzigen Einblick in die Kultur dieses Landes zu erhalten.

 Die VR China ist das bevölkerungsreichste Land der Erde mit rund 1,34 Milliarden Einwohnern. In diesem flächenmäßig viertgrößten Land der Erde leben rund 1/5 der gesamten Weltbevölkerung. Während wir in Deutschland uns mit „Guten Tag“ (你好) begrüßen ist der chinesische Gruß "Ni hao" oder "Nin hao", "Du gut" oder "Sie gut".

 China erlebte in seiner über 5000-jährigen Geschichte 83 Dynastien mit 559 Herrschern die im Laufe ihrer Regierungszeiten 95 Hauptstädte errichteten. Sie ist eine der ältesten Zivilisationen der Welt und besitzt nach Italien und Spanien die größte Anzahl an UNESCO Weltkulturerbe-Stätten. Unter den 42 Orten, Bauten und Regionen ist die 1987 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärte Chinesische Mauer wohl weltweit das bekannteste Bauwerk.

 Wir sind jetzt knapp eine Woche in China und haben uns die Hauptstadt Peking oder auch Beijing genannt mit seiner über 3000-jährigen Geschichte zum Teil angesehen. Zum Teil deshalb weil die Stadt größer wie Schleswig-Holstein ist und man nur einen kleinen Einblick erhalten kann. Ein Muss in der Stadt sind die Besichtigung des Platzes des Himmlischen Friedens, des Mao-Mausoleums, Kaiserpalast (Verbotene Stadt), Himmelstempel, das Wahrzeichen Pekings sowie der Jinshan-Park (Frühsport der Chinesen mit Tai Chi, Tanzen usw.) Lamatempel und eine Rickschafahrt in der Altstadt.

 Der Münchner Wichart Hölscher der Initiator des Marathonlaufes auf der Großen Chinesischen Mauer hat vor 16 Jahren als ihm die Stadtläufe zu langweilig wurden die Idee gehabt auf der Chinesischen Mauer zu laufen. Aus der Idee wurde erst Mal ein Dauerlauf durch die Chinesischen Behörden, den er dank Ausdauer und Durchsetzungsvermögen nach einem halben Jahr Verhandlungen gewonnen hat.

 Am Freitagnachmittag treffen wir uns alle im Hotel zur Wettkampfbesprechung für unser morgiges High-Light dem Lauf auf der Chinesischen Mauer.

 In diesem Jahr findet nun schon die 16. Veranstaltung und hoffentlich noch lange nicht die letzte statt. Seine Devise ist Die Läufe sollen etwas Besonderes sein. Sie sollen in Erinnerung bleiben“. Wichart informiert uns oder wie es im neudeutsch heißt, es findet ein Briefing statt. Es gibt 3 Strecken aus denen man wählen konnte, Marathon, Halbmarathon oder 10km Lauf. Die Startgebühr die jetzt hier bezahlt wird ist für alle Reiseteilnehmer 40€. Externe Teilnehmer zahlen mehr. Hierfür bekommt jeder Finisher eine ganz besondere Ehrenurkunde sowie einen Pokal. Anschließend findet im Hotelgarten unsere Spaghetti-Party statt.

 Am nächsten Morgen heißt es sehr früh aufstehen, denn unser Start- und Zielplatz befindet sich rund 120 km nordöstlich von Peking in der Provinz Hebei. Im Frühstücksraum des Hotels versucht jeder seinen Tag vor diesem ganz besonderen Event mit eigenen Ritualen zu beginnen. Während einige ganz ausführlich frühstücken bekommen manche kaum was runter. Einige sitzen ganz in Gedanken versunken am Tisch, andere lenken sich durch erzählen ab. Jeder versucht mit seiner Nervosität vor diesem ganz besonderen Lauf umzugehen. Dies ist nun schon mein 123. Marathon aber auch ich bin ganz gespannt was mich heute erwartet.

 Die Länge der chinesischen Mauer wird nach neuesten Erhebungen (Juni 2012) mit 21.196,18km und 43.721 Einzelobjekten und Standorten angegeben. Nach anderen Vermessungen gibt es auch andere Längen wo teilweise Fundamente oder andere Baureste mit gemessen wurden. Die lange chinesische Mauer besteht aus mindestens 16 verschiedenen Großen Mauern und ist somit ein Geflecht aus Bauwerken. Egal wie lang sie nun ist, sie ist das bekannteste Bauwerk Chinas und so gigantisch das man sie als das größte Bauwerk der Welt bezeichnen kann.

 Rund 35 Personen werden gleich mit dem Bus losfahren. Neben unserer Reisgruppe die aus Deutschen, Italiener und Österreicher besteht werden jedoch auch noch andere Nationen starten. Es läuft alles sehr routiniert ab und um 5:30 Uhr fahren die Busse los. Unsere Route führt uns in nördliche Richtung über die S11 zum Mauerabschnitt Jinshanling im Berggebiet des Kreises Luanping. Wir verlassen die Hauptstadt und kommen in eine ländliche Gegend. In der Nähe des Highways befinden sich kleine Gemüsegarten die bald von Weiden und Flusslandschaften abgelöst werden. Dann tauchen langsam die ersten Gebirgszüge auf über die auch die Große Mauer verläuft.

 Begonnen wurde mit dem Bau im 7. Jh. v. Chr., allerdings noch mit Stroh, Reisig und festgeklopftem Lehm. Später begann dann der Bau als Schutzwall gegen die kriegerischen Völker aus dem Norden. Die Mauer wurde in verschiedenen Abschnitten in vielen Jahrhunderten nach und nach erbaut, von dem heute der größte Teil am Zerfallen ist. Im Bereich nördlich von Peking ist der in den 1950er Jahren zum Teil restaurierte und besterhaltene Teil. Die Höhe und Breite der Mauer ist ganz unterschiedlich wie auch die Türme je nach Bauphase ganz unterschiedlich sind. Es gibt fünf Große, mehrere tausend Kilometer lange Mauern von denen die Mauer der Ming-Dynastie wohl am bekanntesten ist.

 Wir fahren an diesen Teil der Mauer bei Jinshanling, der auch von den meisten Touristen besucht wird. Neben Jinshanling kann man auch noch in den Dörfern Simatai, Huangua Cheng, Mutianyu, Juyongguan oder Badaling die alle im Umkreis von rund 50-70 km liegen durch die Besuchspunkte die Mauer besteigen. Der Eintritt liegt bei rund 50 Yuan (6,5€).

 Wir erreichen nach ca. 1 1/2 Stunden Busfahrt den Parkplatz in Jinshanling in unmittelbarer Nähe der Mauer. Jinshanling war eine strategisch wichtige Passage früherer Dynastien. Dieser Teil wurde 1570 begonnen und erhielt damals ca. alle 10m zweistöckige Türme.

 Nun heißt es Rucksäcke bzw. Sporttaschen schnappen und ab zu einem der vielen Einlässe zum Mauererlebnis. Den Eintritt für uns hat Wichart schon geregelt, also los aufwärts Richtung Mauer. Nach ca. 10 Minuten haben wir das erste Mal den Blick auf die gigantische Mauer die sich wie ein Hochhaus vor uns aufbaut. Wie wir oben ankommen sind, sind wir schon erstaunt, denn überall hängen Fahnen der teilnehmenden Nationen. Wer heute Morgen Wichart vermisst hat weiß jetzt auch warum, denn er ist schon seit Stunden mit vielen Helfern vor Ort. Viele Banderolen und Hinweisschilder gibt es in Deutsch und Chinesisch. Nach den chinesischen Vorschriften müssen alle Plakate, Banner und Aufschriften ins chinesische übersetzt werden, um sicher zu stellen dass nichts Chinafeindliches draufsteht.

 Auch den Aufbau der zentralen Versorgungsstelle und der drei Kontrollstellen auf der Mauer mit der Überwindung von tausenden von Stufen hat er und die chinesischen Helfer schon erledigt. Hier mussten sie unter extremen Bedingungen die Tische, Stühle, Sonnenschirme, Getränke und Lebensmittel hin transportieren. Da wir den Weg von Parkplatz bis auf die Mauer jetzt nachvollziehen können, wissen wir auch diese Leistung zu würdigen.

 Beim ersten Blick auf die Laufstrecke stellt sich schnell heraus das es sich hierbei wohl um eine Kombination aus Laufen, Bergsteigen und Treppen auf- und abgehen heute handeln wird. Die Stufen habe alle unterschiedliche Höhen und Trittbreiten und sind zum Teil in sehr schlechtem Zustand.

 In einem restaurierten Turm der sich am Start befindet können wir uns umziehen und unsere Rücksäcke deponieren. Erich bringt seine Kamera in Bereitschaft, denn er wird heute seien Lauf filmen.

 Dann gibt es jede Menge Fotos. Hierbei können wir feststellen, dass heute auch wieder viele Chinesen das Startfeld auffüllen.In den letzten Jahren haben die Chinesen immer die Männer- und Frauensieger gestellt. Mal sehen wie es heute wird. Unser Italiener Mauritzio hat ganz besondere Ambitionen, er will unter die ersten Drei beim Marathon kommen. Die Chinesen wollen jetzt auch viele Fotos von und mit uns Langnasen wie uns nennen.

 Die Laufstrecke gleicht einem Y, wo der zentrale Punkt die Mitte ist. Von dort aus geht es in jede der drei Linien 4mal hin und zurück. Am Ende jeder Strecke gibt es einen Retourn-Point wo man aufgeschrieben wird. Wer das geschafft hat, hat inkl. der Höhe der Treppenstufen einen Marathon absolviert. Auf Grund internationaler Vereinbarungen kann bei Extremläufen die Höhe der Treppenstufen mit als Länge gewertet werden. Für die heutigen Läufer, sprich Athleten heißt das: 1.558 Höhenmeter und 18.337 Stufen beim Marathon, 779 Höhenmeter und 9.168 Stufen beim Halbmarathon sowie 362 Höhenmeter und 4.406 Stufen beim 10-Kilometer-Lauf.

 Nach den Fotos kommt jetzt der Ernst. Wir sind jetzt fertig für das Abenteuer „Laufen auf der Chinesischen Mauer“ und es kann losgehen. Der Start ist für alle drei Distanzen auf 9 Uhr festgelegt. Damit auch jeder unfallfrei ins Ziel kommt gibt es kein Zeitlimit. Mal sehen wie das heute so geht. Meinen bisher extremsten Marathonlauf habe ich ja Ende Februar auf der felsigen Seychellen-Insel Mahe gehabt. Während dem Lauf kann man auf eine kürzere Distanz wechseln wird dann jedoch nach der letzten Position in der Ergebnisliste gewertet.

 Was uns wirklich erwartet kann von uns keiner abschätzen. Die Sonne steht hoch am Himmel und Schatten wird es unterwegs nur in den Türmen kurz geben. Wichart ermahnt uns nochmal vorsichtig zu sein. Wir zählen gemeinsam rückwärts und los geht`s über die erste Treppe aufwärts zum zentralen Punkt der Laufstrecke. Hier können wir schon mal die Pokale die uns erwarteten begutachten.

 Hier biegen wir ab auf die ca. 3,5km lange Wendepunktstrecke. Es geht weiter aufwärts über viele Treppenstufen, alle um mich rum gehen. Dann geht es wechselnd abwärts und wieder aufwärts. An manchen Stellen geht es über extreme Stufen steil runter und nach 3 Metern wieder extrem aufwärts.

 Ich verliere viel Zeit fürs Fotografieren, denn ich muss die Kamera jedes Mal aus der Tasche nehmen da ich meine Hände auch zum Klettern über die Stufen brauche. Jetzt weiß ich auch warum manche Chinesen Handschuhe anhaben. Erst beim Foto ansehen zu Hause kann ich die vielen Eindrücke von dem heutigen Lauf verarbeiten und genießen. Wie steil manche Treppe ist kommt wieder in Erinnerung nach diesem unglaublichen Lauf.

 Im nächsten Turm geht es über eine steile sehr enge Treppe abwärts. Hier steht eine freundliche Helferin die einen extra warnt. Dann können wir ein Stück laufen, aber die nächsten Stufen folgen schon und alles geht langsam über die Stufen. Einen Laufrhythmus gibt es nicht, denn ständig wechseln die Stufenbreite und die Stufenhöhe.

 Dann gibt es einen Fernblick über die nächsten Türme und nächsten Höhenmeter. Aber am Ende des vermeintlichen Turmes ist noch lange kein Wendepunkt. Bis dahin gibt es viele aufs und abs.

 Zwischendurch gibt es in der Mitte der Mauer eine Treppe steil nach unten, wo man die Mauer durch einen seitlichen Ausgang verlassen kann. Gleich gegenüber geht es ebenso steil wieder hoch. Oben, an den seitlichen Mauerrändern gibt es einen schmalen Streifen auf dem man die Treppen meiden könnte. Hier ist jedoch äußerste Vorsicht denn es gibt keine Absicherung und bei einem Sturz geht es mehrere Meter tief aufs Pflaster. Also, lieber die Treppen die zwar mehr Zeit bedeuten aber dafür viel sicherer sind.

 Die Laufstrecke wird immer anspruchsvoller. Bei manchen Mauerausgängen kann sogar ich auf dem schmalen Streifen am Mauerrand einige Treppen meiden, aber nur manche denn Sicherheit geht vor. Es folgen noch einige heftige Steigungen zum nächsten Wachturm. Das dumme ist das die Wachtürme immer an den höchsten Stellen der Berge liegen und das heißt für uns steil aufwärts.

 Es geht mal wieder ein Stück läuferisch zurück zu legen dann wieder gehen über total zerbröselte Stufen zum nächsten Turm. Davor geht es über Felsen steil aufwärts. Hier gibt es erst weiter oben vorm Turm wieder Stufen. Dann durch den Turm und weiter über viele Stufen. Da mir schon Läufer entgegen kommen kann der erste Retourn-Punkt nicht mehr weit sein.

 Dann hinter dem Turm ist die Strecke gesperrt durch einen Tisch mit Getränken und Bananen und Keksen. Jetzt heißt es das ganze zurück. Beim Blick zurück über die Berge und die vielen Türme weiß man nicht wie weit ist es bis zum zentralen Punkt. Man verliert das Gefühl für die Entfernung.

 Jetzt genieße ich erst Mal die herrliche Landschaft der Berge die von der unendlich erscheinenden Mauer überzogen wird. Es ist traumhaft hier. Es geht zurück über die Mauer die sich wie eine Schlange über die Berge windet. Ich muss bei jedem Foto stehenbleiben denn ein unachtsamer Moment und ein Sturz würde das aus bedeuten.

 Jetzt geht es zurück zum zentralen Versorgungspunkt über natürlich Tausend Treppen und durch viele Türme. Zwischendurch müssen wir auch wieder die schmale Stiege durch den Turm, diesmal nach oben.

 Jetzt folgt der kürzeste Retourn-Punkt in ca. 1km Entfernung. Im nächsten Turm wartet eine Überraschung auf uns. Wir verlassen den Turm über eine Eisentreppe abwärts. Auch hier steht eine junge Chinesin die uns warnt.

 Dann geht es abwärts sehr lange über zuwachsende Treppenstufen. Von oben sehen wir schon den Turm mit der Versorgung und dem Wendepunkt. Nun geht es zum tiefsten Punkt der Strecke. Die schnellsten Läufer gehen auch hier an den steilen Passagen.

 Hier am Turm ist dieser Mauerteil zu Ende. Retourn und aufwärts in der knallenden Sonne. Die Schritte werden bei vielen schon kleiner. Dann heißt es wieder lange aufwärts über die Leiter in den Turm zum zentralen Versorgungspunkt. Marlene und Renate sowie einige Chinesen versorgen uns hier sehr gut. Neben ausreichend Getränken gibt es auch Bananen und Riegel.

 Dann heißt es runter über die lange Treppe wo wir vorhin gestartet sind. Es geht um den Turm mit unseren Flaggen. Jetzt folgt der steilste Teil der Strecke. Es folgen extrem lange Treppenaufgänge. Vor einem Turm geht es ein Stück über freie Stufen die teilweise so hoch sind das ich kaum die Beine rauf kriege. Hier ist Allrad angesagt. Die Hände helfen beim raufklettern und gleichzeitig beim Sichern.

 Dann folgt ein längeres Stück Ruinenlauf. Hier ist die Treppe stark zerbröselt. Es geht weiter und wieder ein langer Treppenaufstieg. Ich sehe noch keinen Retourn-Punkt. Es geht gefühlt unendlich lange aufwärts. Dann endlich der Tisch mit dem roten Tuch U-Turn Point. Es sind geschätzte 1,5km die dritte Strecke.

 Ich muss leider alles schätzen denn GPS geht hier nicht. Die Chinesen erlauben es außerdem nicht weil in der Nähe Militär ist. Hier oben spricht man leider nur chinesisch. Macht nichts zurück abwärts. Die extrem steilen Treppenaufstiege sind jetzt gefährliche Abstiege. Vorsicht langsam, denn überschlagen bedeutet Krankenhaus. Über die freie Treppe am Turm geht per Spider im Rückwärtsgang. Dann langsam die langen steilen Treppenaufgänge abwärts. Zum Startturm geht es jetzt meist bergab wo man ab und zu laufen kann. Dann wieder die Starttreppe hoch zum zentralen Versorgungspunkt.

 Die erste Runde ist geschafft. Ein Teil der 10km Läufer kommen jetzt nach und nach ins Ziel. Für mich heißt es jetzt weiter in die 2. Runde. Viele Läufer die mir entgegenkommen sind am Gehen. Die vielen Treppen haben die meisten jetzt schon ausgelaugt nur ein paar rennen wirklich noch.

 Nach der 1. Runde führt ein Chinese vor unserem Maurizio und Manuel. Jetzt sind auch einige Touristen auf unserer Laufstrecke unterwegs. In den Türmen kommt es so schon zu Wartezeiten bis die Strecke wieder frei ist.

 Die Sonne und die vielen Treppen setzen mir schon ganz schön zu. Durch mein Asthma bin ich gezwungen an den langen Bergauftreppen zwischendurch Pausen zu machen um meine Atmung zu regulieren. Nach der 2. Runde ist Halbzeit. Ich bin so um die 3 Stunden unterwegs.

 Viele hören jetzt auf und es nur noch wenige Läufer aber dafür mehr Touristen auf der Strecke. Die 3. Runde wird schon beschwerlicher, denn jetzt lässt auch die Kraft nach. Die Atempausen werden länger, aber ich bin noch dabei. Keine Kreislaufbeschwerden trotz der brütenden Hitze. Auch die Koordination ist ok. Ich laufe jetzt nur noch wenige Passagen. Die Kontrolle über die Stufen kostet alle Aufmerksamkeit. Auch Fotos will ich noch machen, denn diese Strecke ist einmalig auf der Welt.

 Es beginnt die 4. Runde für mich. Die meisten Läufer sind schon im Ziel und damit nicht alle auf mich warten müssen bitte ich Wichi schon mit der Siegerehrung zu beginnen. In der letzten Runde mache ich jetzt noch schöne Landschaftsfotos von der Strecke und dem Great Wall.

 Jetzt begleitet mich der Chinese Liang Yashi. Obwohl er schon im Ziel war und auf seine Siegerehrung verzichtet hat will er mich begleiten. Leider können wir nicht miteinander kommunizieren, denn er spricht kein Englisch. Durch Gesten verständigen wir uns. An kritischen Stellen hilft er mir über manche Hürde. Danke, Danke, Danke an Liang. An den Retourn-Punkten verabschieden wir uns von den netten Helfern.

 Jetzt sind viele Touristen auf der Strecke und so mancher Chinese fragt nach der Startnummer. Wie ich ihnen erkläre was ich hier mache fehlen so manchem die Worte. Für die meisten Touristen ist ein kleines Stück auf der Mauer ausreichend genug. Ich werde auch gefragt ob sie wohl ein Foto mit mir machen könnten. Für mich ist das selbstverständlich, denn hier bin ich der Ausländer und ich sehe ja ganz anders aus wie die 1,34 Milliarden Chinesen. Durch diese ungeplanten Stopps vergeht viel Zeit, aber ich habe hier die einmalige Gelegenheit mit den Chinesen auf der Mauer zu kommunizieren.

 Die Eindrücke hier oben auf der Mauer sind schon sehr faszinierend und werden sich tief in die Seele eingraben. Ich habe nun schon viele Ecken auf der Welt mir erlaufen, aber die Chinesische Mauer ist wohl mit nichts vergleichbar. Da Wichi schon mit der Siegerehrung begonnen hat kann ich die letzten Kilometer hier oben richtig genießen.

 Ziemlich zum Schluss der Laufstrecke kamen Liang und mir eine Gruppe junger Mädels entgegen die so fasziniert waren das man aus Germany nach China reist um Marathon zu laufen. Sie wollten unbedingt noch auf ihrem Smart-Phone Germany und meine Heimat Kassel finden.

 Dann ist auch die 4. Runde zu Ende und es geht noch einmal auf den steilsten und schwierigsten Teil des 3. Zipfels um die letzten Meter für den Marathon zu vollenden. Dann kommt der letzte Anstieg über die Treppen zum Ziel. Nach über 7 ½ Stunden ist es geschafft. Ich durchlaufe das Zielband, das heute für jeden hier gespannt wurde. Es ist vollbracht. Es war hart, sehr hart die vielen Treppenstufen. Dies ist nicht nur mein langsamster sondern auch mein beeindruckendster Marathon. Einen Marathon komplett auf der Chinesischen Mauer gibt es nur bei Wichi, danke dafür. Er ist einmalig und wird wohl durch nichts zu toppen sein. Auch wenn ich mich wiederhole es ist und bleibt etwas gang Besonders.

 Während ich noch auf meiner letzten Runde bin hat Wichi mit der Siegerehrung für alle Teilnehmer der 10km, Halbmarathon und Marathon begonnen. Da jeder Teilnehmer einen schönen Pokal sowie eine Urkunde in Chinesisch und Deutsch erhält dauert die ganze Zeremonie auch seine Zeit. Die Sieger erhalten noch zusätzlich eine Medaille. Da so ein sehr aufwendiger Lauf nicht ohne Helfer von statten geht werden diese auch für ihr Engagement ausgezeichnet.

 Die gelaufenen Zeiten sind für die meisten nicht wichtig. Das Erlebnis Mauer, ein unvergessliches Erlebnis steht eindeutig im Vordergrund.

 Dann erhalten auch Liang und ich unseren wohlverdienten Pokal und die Urkunde. Durch unseren Guide bedanke ich mich auf Chinesisch bei Liang für die tolle Hilfe und Begleitung auf der letzten Runde.

 Jetzt erfahre ich auch, dass unser Manuel der Sieger ist und mit seiner Zeit nur 5 Minuten über dem Streckenrekord liegt. Auch bei den Frauen geht diesmal der Sieg nicht nach China sondern auch nach Deutschland. Bei der 16. Veranstaltung gehen alle Klassensieger an deutsche Teilnehmer.