Mit der Laufgemeinschaft Vellmar auf Vereinsfahrt
3.07.2016 von Bernd Neumann
Dieses Wochenende heißt es wieder LG-Vereinsfahrt zu einem touristischen Laufziel. Es geht nach Sachsen in die ehemalige Karl-Marx-Stadt (1953-1990), heute wieder Chemnitz. Die DDR-Regierung verehrte Karl Marx der mit Friedrich Engels zum einflussreichsten Theoretiker des Sozialismus und Kommunismus zählte.
Heute am Samstag haben wir jedoch noch ein Zwischenziel in der kleinen Stadt Freyburg an der Unstrut. Wir wollen eine der ältesten Sektkellereien Deutschlands besichtigen, Rotkäppchen. Da wir jedoch zu früh da sind besuchen wir noch die Stadt mit seinen vielen historischen Gebäuden.
Der Bus bleibt in der Sektkellereistraße 5 stehen und wir gehen in Kleingruppen runter in die Stadt. Freyburg liegt an der Unstrut. Zu beiden Seiten wird Freyburg von Weinbergen eingerahmt und auch die Toskana des Nordens genannt. In der Stadt gibt es einige Baustellen so gehen wir auf dem Weg zur Marienkirche über eine Baustelle.
Diese evangelische Kirche wurde im 13. Jh. in Anlehnung an den Naumburger Dom errichtet. Durch das Westportal kommen wir in das Langschiff und erhalten einen Blick auf den schönen gotischen Chorraum. Auf dem steinernen Altar steht ein dreiflügeliger Schrein von 1500. Da der Küster die Kirche schließen will begeben wir uns weiter runter in Richtung Unstrut.
Durch die Stadt führt die Straße der Romanik. Sie verläuft in Form einer Acht mit dem Zentrum der Stadt Magdeburg. Sie verbindet Dome, Burgen, Klöster und Kirchen, die in der Zeit vom 10. bis Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden sind und somit ein Zeichen der Christianisierung und dem frühen deutschen Königstums darstellen. An der Gesamtlänge von rund 1.200km liegen 80 romanische Objekte in 65 Orten.
Durch die Stadt führen auch der 176km lange Unstrut-Radwanderweg sowie der Ökumenische Pilgerweg von Görlitz nach Vacha. Wir laufen ein Stück der alten Stadtmauer entlang. Freyburg besitzt noch einen nahezu intakten Stadtmauerring von etwa 1,2 km Länge. Auf der Mauer aus Bruchsteinen ist ein hoch gelegener Wehrgang. Die zwölf Türme sowie die Mauer besitzen Schießscharten auf mehreren Ebenen. So genannte Angelsteine bezeugen, dass diese Scharten einst mittels hölzerner Läden verschließbar waren.
Rund um den neuen Marktplatz und den vielen Gässchen gibt es auch Weinstuben die sehr einladend sind, aber wir wollen noch Sekt verkosten.
Freyburg darf sich auch Jahn- und Weinstadt nennen da hier Turnvater Jahr gestorben ist und die Stadt schon eine über 1000-jährige Weinbaugeschichte hat. Auf dem Weg zu Rotkäppchen gehen wir direkt an seinem Denkmal vorbei. Nebenan ist auch die 1894 erbaute Erinnerungsturnhalle.
Beim Blick über die Stadt thront auf den Weinbergen das Schloss Neuenburg. Die um 1090 vom Thüringer Grafen Ludwig dem Springer gegründete sagenumwobene Neuenburg ist auch die Schwesternburg der Wartburg. In der hochmittelalterlichen Blütezeit wurde die Burg prachtvoll ausgebaut mit repräsentativen Wohnbauten, mächtigen Türmen, gewaltigen Mauern und Toren. Noch heute gilt die um 1180 errichtete Doppelkapelle mit ihrer außergewöhnlichen Bauzier als Architektonisches Kleinod. Im Jahr 1131 erhielt der Sohn Ludwig des Springers, Ludwig I., die Würde eines Landgrafen von Thüringen. Seit Anfang des 12. Jh. entwickelte sich die Familie der Ludowinger zu einem der mächtigsten Reichsfürstengeschlechter (Kaisers Friedrich Barbarossa, der Dichter Heinrich von Veldeke, die Landgräfin Elisabeth von Thüringen). Mitte des 13. Jahrhunderts wurde die Burg zu einem Wohn- und Jagdschloss umgebaut. 1815 ging die Neuenburg in preußischen Staatsbesitz über und wurde zu einem beliebten Ausflugsziel.
Sieben Orte und einige Weinberge schenkte 998 Kaiser Otto III. dem Kloster Memleben. Die Mönche im Zisterzienserkloster Pforte entwickelten den Weinbau in dieser Region der noch heute viele Menschen prägt. 760 Hektar ist das heutige Weinanbaugebiet mit Steilterrassen, Trockenmauern und vielen romantischen Weinberghäuschen.
Zurück bei Rotkäppchen beginnt die Besichtigung. Begonnen hat es schon 1856 wo die Brüder Moritz und Julius Kloss mit ihrem Freund Carl Forster eine Weinhandlung gründeten. Im gleichen Jahr waren sie noch an der Gründung der ersten Freyburger Champagner-Fabrik-Gesellschaft beteiligt. 1861 wurde der Sekt unter den Namen „Monopol“, „Crémant Rosé“, „Lemartin Frères“ und „Sillery Grand Mousseux“ vorgestellt. Den Namen Rotkäppchen benannt nach der roten Sektkappe kam nach dem verlorenen Prozess gegen Heidsieck & Co 1894. Nach der Wende kam der Zusammenbruch der Marke da die Ossis lieber Wessi Produkte kauften. 2002 kauften sie Mumm und M&M dazu. Heute ist Rotkäppchen Marktführer mit 37,9% Marktanteil.
Soviel zur Historie, jetzt geht es zur Besichtigung der historischen Gebäude in der Sektkellereistraße 5. In den Jahren 1880 bis 1900 entstand ein großer Lichthof mit Produktionsstätte und Nebengebäuden in den Stilen Neorenaissance und Neobarock.
Rotkäppchen ist einer der zwei größten Exportartikel der ehemaligen DDR. Die Nr. 1 ist der Rennsteiglauf und die Nr. 2 ist der Rotkäppchen-Sekt. Hier in diesen historischen Gebäuden der Freyburger Champagner-Fabrik-Gesellschaft hat alles begonnen. Die ersten 6.000 Flaschen wurden noch in einem Hinterhaus abgefüllt. Mitte des 19. Jahrhunderts übernahmen Kloss und Forster die Champagnerfabrik und bauten sie weiter aus. Nach Inkrafttreten des Warenbezeichnungsgesetzes von 1894 durften sie verschiedene Namen für ihren Sekt nicht mehr benutzen. Da die Freyburger Sekte schon von je her eine rote Kapsel hatten wurde daraus „Rotkäppchen“.
Die Gebäude in der Sektkellereistraße sind ein besonders interessantes Industriedenkmal deren Hauptbauphase zwischen 1880 und 1900 liegt. Es folgte 1889 der Bau eines großen Verwaltungsgebäudes und nur vier Jahre später wurde der Lichthof mit einem Glasdach überdacht. So entstand ein prägender Komplex aus Produktionsstätte, Verwaltung, Lagerhalle, Nebengebäuden und einer Gaststätte (deren Gebäude heute nicht mehr steht) in den Formen der Neorenaissance bzw. des Neobarocks.
Aus 25 Eichen mit einem Inhalt von 120.000 Litern wurde 1896 das größte Cuvèe-Weinfass Deutschlands gebaut. Es steht im sogenannten Domkeller den wir jetzt betreten.
Wertvolle Schnitzereien verzieren dieses Riesenfass. Im Domkeller kann auch gefeiert werden. Wir gehen weiter und kommen zu den alten Abfüllstationen und vielen historischen Werkzeugen. Auch über die Handhabungen der alten Rüttel- und Drehholzständer werden wir ausführlich informiert.
Zu einer Besichtigung einer Sektfabrik gehört auch eine Sektverkostung. Das kam anschließend mit vielen Hinweisen zu Zuckergehalt, Lagerung und Verkostung. Anschließend ging es noch durch den Verkaufs-Shop wo sich einige mit speziellen Sekten eindeckten.
Bevor es mit unserem Bus weiterging habe ich noch einige schöne Eindrücke von dem schönen Gelände hinter der Sektkellerei eingefangen, denn hier hat damals alles begonnen.
Am frühen Nachmittag fahren wir weiter zu unserem eigentlichen Ziel der Stadt Chemnitz. Da ich hier schon in 2013 gelaufen bin kommt mir auch vieles wieder vertraut vor. Wir fahren zu unserem Hotel dem Mercure, dass wie ein weißer Turm am Rand der Innenstadt steht. Dann machen wir uns gleich auf eine Stadtführung. Leider beginnt es zu regnen und so fällt der Rundgang praktisch ins Wasser.
In Chemnitz leben heute knapp 250.000 Einwohner. Die Stadt hat ihren Namen durch den Fluss Chemnitz erhalten. Dieser Name kommt von dem slawischen Kamjenica was wiederum Stein heißt. Der Fluss Chemnitz entsteht in der Stadt aus dem Zusammenfluss von Zwönitz und Würschnitz und fließt nach 37km in die Zwickauer Mulde. Von 1953-1990 hieß Chemnitz Karl-Marx-Stadt. Die damalige DDR-Regierung hat beschlossen, das K-M-S die einzige Stadt ohne echte Innenstadt auf der ganzen Welt wird. Es gibt jedoch eine schöne Altstadt kombiniert mit modernen Gebäuden. Der Chemnitzer spricht einen meißnischen Großstadtdialekt und benutzt oft no’r als Füllwort. Wer darauf achtet wird feststellen, dass die Chemnitzer dieses Wort sehr oft benutzen und es klingt tausendmal besser als ähm oder äh. Seine Stadt spricht er "Gorll-Morggs-Stodd" aus.
Chemnitz ist eine grüne Stadt mit sehr viel ausgedehnte Grünflächen und Parkanlagen. Morgen beim Lauf werden wir durch eine dieser großen Grünanlagen laufen. Statistisch gesehen kommen bei über 10 km2 Grünanlagen auf jeden Einwohner mehr als 60 m2 Grünfläche, was ca. 5 Autostellplätzen oder 2 Boxringen entspricht.
Wir sind aber jetzt in der Innenstadt und besuchen eines der besonderen Museen, eigentlich ist es ja ein ehemaliges Kaufhaus und zwar das von Hermann Tietz. Besser bekannt von früher unter dem Namen Hertie-Kaufhaus. Heute heißt es DAStietz und ist ein Kulturzentrum. Im Lichthof hat man freien Zutritt zum Versteinerten Wald. Die versteinerten Bäume sind durch den Prozess der Verkieselung entstanden. Mikroskopisch kann man nachweisen, dass im inneren Pflanzenarten erkennbar sind. Diese fossilen Baumstücke sind mehr als 100.000 Jahre alt.
Da es keine schönen Fotos während des Rundganges gab habe ich den Rundgang im Laufschritt und bewaffnet mit der kleinen Kamera nochmal gemacht. Hinter unserem Hotel in der Brückenstraße steht das wohl bekannteste Wahrzeichen der Stadt die über 70t schwere und 7,10m hohe Plastik des Karl-Marx-Kopfes. Die Chemnitzer nennen sie auch Nischel (Kopf). Auf dieser breiten Straße gab es zu DDR-Zeiten auch die Festzüge und Massenveranstaltungen.
Nur ein Stück weiter befindet sich der Theaterplatz mit der St. Petri Kirche und dem Opernhaus. Die Petri Kirche hat 1.200 Sitzplätze und wurde Ende des 19. Jh. als neugotischer Hallenbau errichtet. Das nebenan stehende Opernhaus wurde nur wenige Jahre nach der Petri Kirche erbaut