Lauferlebnisreise durch Indien und Nepal
12.01. -27.01.2012 von Bernd Neumann Teil 2
Sonntag 15.01.2012 – Marathontag: So nun ist es soweit, ein früher Weckruf um 2:45 Uhr für die Läuferschar ist angesagt, denn die Starts für den Marathon und den Halbmarathon erfolgen noch im Dunkeln. Im Hotel haben wir noch kurz Zeit für ein zeitiges kleines Frühstück. Dann heißt es los geht`s. Da selbst nachts der Verkehr in Bombay nicht ruht, muss für die Transfers zu den verschiedenen Startorten längere Zeit eingeplant werden.
Zur Übersicht nochmal die Startzeiten und Mindestalter:
Marathon Amateur Startzeit 5:40 Uhr - 42.195 km Mindestalter 18 Jahre
Half Marathon Startzeit 6:15 Uhr - 21.097 km Mindestalter 18 Jahre
Marathon Elite/unter 3 Std. Startzeit 7.25 Uhr - 42.195 km Mindestalter 18 Jahre
Wheelchair Event Startzeit 7.45 Uhr - 4.3 km Mindestalter 12 Jahre
Sr. Citizens' Run Startzeit 8.00 Uhr - 4.3 km Mindestalter 60 Jahre
Dream Run Startzeit 9.00 Uhr - 6 km Mindestalter 12 Jahre
Das Abenteuer „Standard Chartered Mumbai Marathon 2012“ konnte beginnen. Wir fahren gemeinsam zum Start/Ziel-Ort am Azad Maidan. Azad (frei) Maidan (Sportplatz). Als wir den Bus verlassen müssen wir aufpassen, dass wir nicht im Dunkeln auf die Menschen treten die hier ihre Nacht auf dem Gehsteig verbringen. Sie sind teilweise so eingehüllt das man sie von Müllsäcken im Dunkeln nicht unterscheiden kann. In Mumbai leben hunderttausende ohne Wohnung, das heißt sie leben und schlafen auf der Straße.
Wir gehen auf den Azad Maiden, dass ein großer dreieckiger Platz zwischen der Mahatma Gandhi Road und der Mahapalika Marg ist. Dieser Platz wird genutzt für das Lieblingsspiel der Inder Cricket oder auch als Sammlungsplatz für politische Kundgebungen genutzt. Mahatma Gandi und Lal Bahadur Shastri haben diesen Platz auch genutzt, um friedlich für die Unabhängigkeit Indiens zu demonstrieren
Unsere Versammlung dient jedoch nur als Start-Sammelplatz für den Mumbai-Marathon und dazu werden wir noch vorher in eine „Marathon Holding Area“ gepfercht. Hier auf dem Platz ist auch der Baggage Counter. Da wir heute Morgen so um kurz nach 4 Uhr schon um die 20 Grad haben geben alle sehr früh ihren Kleiderbeutel ab.
Es werden 3.000 Marathonläufer und 20.000 Halbmarathonläufer auf der Strecke erwartet. Da die Halbmarathonis ganz im Norden und später starten versammeln sich heute Morgen hier nur rund 3.000 Läufer. Neben der Marathonsammlerin Sigrid Eichner, die mit unserer Gruppe unterwegs ist, kommt ganz überraschend aus dem Dunkel Horst Preissler der Marathonsammler. Nach einer intensiven Begrüßung und einigen Gesprächen geht es dann in die abgesperrte Area wo die Marathonis gesammelt werden. Zum Start auf der Straße müssen wir noch warten, denn das Tor dahin war noch versperrt. Dann geht das Tor auf, so gegen 5:35 Uhr Ortszeit (in Deutschland war es 1:05 Uhr) und wir wurden in unsere Startblöcke gelassen. Insgesamt sind für heute auf allen 6 Strecken knapp 39.000 Personen gemeldet.
Pünktlich um 05:40 erfolgte der Start für die normalen Läufer. Normale Läufer heißt alle die langsamer wie drei Stunden sind. Schön ist auch hier das es für die Ziel-Zeiten 4:30, 5:00 und 5:30 jeweils zwei Pacer gibt. Es geht los direkt neben dem CST Building (direkt bei der ehemaligen Queen Victoria Station). Im Dunkeln sehen wir links neben unserem Starttor das UNSECO-Weltkulturerbe, den Bahnhof vom Mumbai (Chhatrapati Shivaji Terminus). Das Gebäude ist im Stil der viktorianischen Neogotik erbaut worden mit einem Stahl- und Glasdach. Das 1888 fertiggestellte Gebäude hat über dem Haupteingang eine begehbare achteckige Kuppel. Das Gebäude ist mit vielen Steinfiguren und Reliefs verziert.
Es geht über die sehr schlecht ausgeleuchtete Dr. Dadabhai Naoroji Road in Richtung des Platzes Flora Foundain. Dr. Dadabhai Naoroji, ein Parsi war in Indien bekannt als der Grand Old Man of India und als Inder das erste Mitglied im Parlament im britischen Hous of Commons. Vor dem Flora Foundain, dem Märtyrer-Platz biegen wir ab auf die Veer Nariman Road die uns ins 4. teuerste Geschäftsviertel der Welt führt.
Nun geht es direkt in einem Bogen zum Marine Drive. Hier laufen wir bei km 3 eine kurze Wendepunktstrecke am Oberoi Hotel, das einer der Schauplätze der Terroranschläge vom 26.11.2008 war. Dann geht es weiter über einen U-turn und dann nordwärts über Das Halsband der Königin, dem Marine Drive. Auf dem nächsten Stück stehen alle 100m Life-Bands die auch zum Teil schon wach sind und uns musikalisch begleiten. Die Stadt ist schon um 6 Uhr wach und erwartet seine Weltenbummler die rund um den Globus hierher gefunden haben um im Januar bei 30 Grad Marathon zu laufen.
Es ist noch dunkel aber schon sehr warm, so um die 25°C und kein Lüftchen hier direkt im Innenstadtbereich. Wir folgten der Küstenstraße ca. 5km. Am nördlichen Punkt der Bucht befindet sich der Girgaon Chowpatty. Der Sandstrand ist Drehort vieler Bollywood Filme und Schauplatz wenn Hunderte beim Ganesh-Chaturthi-Fest im Wasser mit dem Götzen eintauchen.
Am Ende des Marine Drive geht es auf die Babulnath Road. Schon nach einem kurzen Stück kommen wir wohl an dem schönsten Tempel der Stadt vorbei. Der Babulnath-Tempel ist ein Shiva-Tempel und wurde 1780 erbaut und einem Hindu König geweiht. Bei Ausgrabungen wurden vier der fünf Götzen ausgegraben. Es waren Shiva Linga, Ganesh, Hanuman, Parvati. Der fünfte war im Meer versunken.
Wir sind bei km 10 (blaue Schilder, die Halben haben weiße Schilder) und schon kommen uns die ersten schnellen Halbmarathonis entgegen die parallel zu uns den Weg zum Ziel haben. Jeder Kilometer ist ausgeschildert. Da es heute Morgen schon sehr warm ist bekommen wir auf der gesamten Strecke alle 1,5 – 2km Wasserflaschen gereicht. Wirklich vorbildlich.
Es wird langsam hell. Links von uns auf dem Wasser liegt der Tempel Haji Ali Dargah. Der Morgen ist leider etwas diesig für klare Fotos. Wir kommen jedoch später auf unserem Rückweg zwischen km 36 und 37 nochmal hier vorbei.
Auf einer kleinen Insel 500m vom Land entfernt liegt die Moschee und das Grab (Dargah). Im Jahr 1431 wurde die Haji Ali Dargah in Erinnerung an den reichen muslemischen Kaufmann Sayyed Peer Haji Ali Shah Bukhari (RA) erbaut. Die Insel die nur bei Ebbe über einen knapp einen Kilometer langen Damm erreicht werden kann liegt in der Worli Bucht. Das weiße Marmorgebäude mit dem 26m hohen Minarett erinnert an die Mogul-Architektur der damaligen Zeit und wird täglich von bis zu 15.000 gläubigen Muslimen und Nicht-Muslimen besucht. Achtung, gemäß den muslimischen Traditionen gibt es getrennte Gebetsräume für Damen und Herren. Der weiße Marmor kommt aus dem selben Steinbruch wie der für das Taj Mahal.
Auf den nächsten Kilometern bis zur nächsten Bucht laufen wir auf dem Lala Laypathrai Marg, vorbei an verschiedenen Sportstätten. An Ende der Bucht ragt zur rechten Seite über einem Hügel der weiße Zylinder des 1972 erbauten Planetariums heraus. Wir kommen in den Stadtteil Worli, der früher eine der sieben Inseln war die heute Mumbai bilden. Die früheren sieben Inseln waren Mahim, Worli, Parel, Mazagaon, Bombay, Littler Colaba und Colaba. Die Laufstrecke führt am Worli Sea Face entlang, das früher einmal nur ein kleines Fischerdorf war. Zur Zeit der sieben Inseln haben auf Worli die Briten ein Fort errichtet, mit dem blick auf die Mahim Bay. Das ehemalige Fort Worli ist heute nur noch Schutt und Asche auf dem heute eines der vielen Slums der Stadt ist. Hier wird angeblich in eine der vielen unterirdischen Höhlen illegal Schnaps gebraut.
Weiter geht es vorbei an kleineren Slums, am Mahalaxmi Race Course - der Pferderennbahn in Richtung Sealink. Hier kommt uns jetzt das große Feld der Halbmarathonis auf der anderen Straßenseite entgegen. Wir sind auf dem Worli Seaface, am Ende oder je nach dem man will am Anfang der 5,6km langen Brücke. Die Bandra-Worli Sea Link (BWSL) ist auch als Rajiv Gandhi Sea Link bekannt. Wir laufen auf diese Brücke die ausschließlich für Kfz. erbaut wurde und 16 Milliarden Rupien gekostet hat. Die 3,5 Meilen lange Brücke ist eine Schrägseilbrücke mit Viadukten an beiden Seiten. Wir dürfen heute dieses gigantische Bauwerk überlaufen um vom Süden aus Worli nach Norden nach Bandra zu kommen. Am Anfang der Brücke kommen uns die letzten Halbmarathonis entgegen.
Der Lauf über den Bandra-Worli Sea Link ist einfach einzigartig. Kilometerlang rechts die Mahim Bay mit der Stadtkulisse und den Bergen dahinter und links das offene Meer. Einfach wunderschön. In diesem Jahr sind auf der Brücke sogar am Anfang und Ende Wasserstationen aufgebaut die heute für jeden Teilnehmer sehr hilfreich sind.
Wir verlassen die Brücke hinter km 20 und bleiben neben dem Wasser. Die Strecke führt uns parallel zur Bucht die wir jedoch nicht sehen können. Wir laufen auf dem Mahin Causeway jetzt gen Süden. Wir erreichen den Halbmarathonpunkt und neben uns zu beiden Seiten sind wir wieder in einem weiteren Slum der Stadt. Die ganze Strecke ist mit 1.869 Polizisten für die Läuferschar abgesichert, aber es gab keinerlei Belästigungen ganz im Gegenteil es waren sehr viele Menschen an der Straße und klatschten uns zu. Bis km 23 gibt es zur rechten Seite, zur Meerseite, viele schöne große Tore und Moscheen die man teilweise nur im letzten Augenwinkel erhaschen konnte.
Wir laufen jetzt auf der Swatantrya Veer Savarkar Marg einer breiten Straße weiter gen Süden. Gleich am Anfang der Straße steht der Shree Siddhivinayak Ganapati Mandir. Ein Hindu-Tempel der den Gott Ganesha (der mit dem Elefantenkopf) gewidmet ist. Der ehemals 3,6 x 3,6m große Tempel wurde 1801 vergrößert und erhielt eine kuppelförmige Schikara. Er wurde 1801 von Laxman Vithu und Deubai Patil erbaut. Das Dachinnere ist mit Gold überzogen.
Hinter km 25 kommen wir an den Mayfair Ballsälen vorbei und erreichen den km 26, müssen jedoch jetzt noch eine Schleife laufen die uns nochmal in nördliche Richtung führt, vorbei am Beginn der Bandra-Worli Sea Link Brücke. Jetzt bleiben wir aber auf dem Festland und biegen nochmal ab auf einen ca. 3km Retournkurs. Hier kommen wir wieder an sehr armen Menschen vorbei die teilweise unter Zeltplanen, die sie über den Bürgersteig gespannt haben, leben oder ein Stück weiter in Blechhütten oder ähnlichen Verschlägen. Es schon ein sehr beklemmendes Gefühl diese Menschen so hier hausen zu sehen.
Nach dem Retourn geht es am Wasser entlang Richtung Süden, Richtung Ziel, aber das dauert noch. Für mich heute besonders, denn nach meiner Impfung letztes Wochenende hat mein Körper noch eine ganz andere Arbeit zu verrichtet als Laufen. Ich bin saft- und kraftlos aber ich genieße die Strecke und die wirklich imposante Stadt in ihrer ganzen Vielfältigkeit.
Jetzt ist die Sonne auch ganz durch und die Temperatur ist laufend am steigen. Wir erreichen in den nächsten 2 Stunden eine Höchsttemperatur von 32 Grad. Sonne pur ohne Schatten, heißt es immer weiter.
Rechts neben uns ist jetzt wieder die herrlich weiße Marmormoschee Haji Ali. Der Weg zur Insel ist voll von Menschen die auf dem Weg dorthin sind. Für uns geht es weiter durch die Bucht Richtung Jaslok Hospital. Von den 350 Ärzten die heute im Einsatz waren gab es nur zwei Notfälle, einer ist gegen eine Fernsehkamera gerannt und ein zweiter junger Mann hatte Herzflimmern, ist aber wieder ok.
Jetzt am Ende der Bucht zwischen Kilometer 36 und 38 geht es merklich bergauf. Heute Morgen beim Bergablaufen im Dunkeln hat man das nicht so wahrgenommen. Das Auf und Ab war in der Zwischenzeit zu kräftigen Anstiegen angewachsen und kostete ziemlich viel Kraft. Mittlerweile hatten wir ca. 32°C und kaum noch Schatten auf der Laufstrecke. Aber zum Glück folgt jedem Anstieg auch wieder ein Gefälle. So ging es dann ein Stück abwärts zum Chowpatty Beach mit dem Wissen, dass die letzten Kilometer topfeben sein würden.
Links neben der Laufstrecke waren viele Menschen damit beschäftigt historische Papp-Fassaden für einen Bollywood Film aufzubauen. Angeblich sollen im Schnitt jeden Tag in Mumbai zwei Filme fertiggestellt werden. Der Name Bollywood ist aus dem Wortspiel Hollywood und Bombay-Film entstanden. Der typische Bollywood Film ist eine Erzählgeschichte über 4 Stunden mit vielen Tanz und Gesangsszenen wie im Musical.
Rechts von uns ist eine Disco mit lauter Musik und einer Riesenmenge an Menschen. Ich denke noch, irgendwann musst du jetzt links abbiegen, aber die Ordner werden es dir schon sagen. Ich laufe weiter und merke, dass keine Läufer mir folgen. Ich drehe um und sehe dann auf meinem Rückweg, dass die Läufer schon längst abgebogen waren. Bei den vielen Menschen auf der Straße habe ich die Abbiegung verpasst. Was soll`s auf 10 Minuten kommt es heute doch nicht an.
Ich bin dann auf der richtigen Straße zur Innenstadt. Man hat jetzt die Absperrungen aufgehoben und ich muss meine letzten 3 Kilometer neben den fahrenden und immer laut hupenden und stinkenden Autos Richtung Ziel laufen. Jetzt solidarisieren sich einige Läufer und es entstehen beim Überqueren der Straßen kleine Gruppen.
Dann sehe ich das alte große herrliche Bahnhofsgebäude und weiß es ist nicht mehr weit. Um die Kurve und dann kommt das Ziel. Es ist geschafft. Ich gehe weiter auf den großen Platz den Azad Maidan zur Resting-Area. Hier bekomme ich meine heute sehr hart erarbeitete Medaille und zwei Flaschen Wasser.
Für die Marathonis gab es eine Medaille mit dem Audruck „I have finished the marathon“. Am Body Fuel Counter, so heißt hier die Versorgungsstation erhielt man noch ein Säckchen mit einem Apfel, einer Mandarine, Keksen und einem Riegel. Dann machte ich mich langsam auf den Weg zu unserem Bus der uns in der Nähe erwartete. Es ging zum Hotel duschen, ruhen, Essen und Schlafen.
Es gab einen neuen Teilnehmerrekord mit 38.775 Startern. Ins Ziel kamen 2.708 Marathonläufer, beim Halbmarathon kamen 13.946 ins Ziel. Neu war ein Rollstuhl-Rennen das aber nicht wie bei uns abläuft. Hier wurden ausschließlich schwer behinderte Menschen auf ihren Rollstühlen geschoben. Wer jetzt denkt was soll das. Ich habe gehört, dass die 374 Teilnehmer über die 3,4km Strecke frenetisch gefeiert wurden.
Platz 1 beim Marathon wurde durch Fotofinish zwischen einem Kenianer und einen Äthiopier entschieden; Zeit 2:10:48. Schnellste Frau war eine Äthiopierin mit neuem Streckenrekord 2:26:12. Beim Halbmarathon waren die ersten 10 Frauen und auch die ersten 10 Männer alles Inder. Zeit Sieger Männer 1:05:29, Zeit Siegerin 1:21:55
Fazit: Eine sehr gut organisierte Veranstaltung in einer hochinteressanten Stadt. Ein Eintauchen in eine andere Welt die einen neugierig nach mehr macht. Wer das Besondere sucht sollte einmal im Leben hier durch die Stadt gelaufen sein, egal ob Halb- oder Full-Marathon.
Montag, 16.1.: Heute heißt es für vier Teilnehmer unserer Reisgruppe Heimflug. Für die anderen ist noch ein wenig Freizeit am Vormittag angesagt, da unser Flug schon um 14 Uhr geht müssen wir gegen 10 Uhr das Hotel in Richtung Flughafen verlassen. Um 14 Uhr startet unser Flieger ins 800km entfernte Udaipur.
Wir verlassen den Bundesstaat Maharashtra (85 Mill. Einwohner, Hauptstadt Bombay, überwiegend Hindus) und fliegen nach Rajasthan (50 Mill. Einwohner, Hauptstadt Jaipur, 75% Hindus, 20% Moslems, 5% verschiedene Stammesreligionen).
Ende Teil
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Teil 3