Rund um die Route 66 in Ost-Westfalen
16.11.2013 von Bernd Neumann
Der TUS Humfeld veranstaltet dieses Jahr nun schon seinen 34. Volksmarathon und die wenigsten wissen wo der eigentlich stattfindet. In der Ergebnisliste findet man meist nur Starter aus dem Umfeld von Humfeld. Ich möchte das gern ändern indem ich heute von dieser kleinen aber sehr herzlichen Veranstaltung berichte.
Wo muss ich denn hinfahren, wo liegt dieses Humfeld? Ganz einfach an der Route 66. Das ist kein Quatsch, denn die Bundesstraße 66 führt direkt durch Humfeld zwischen Lemgo und Barntrup. Noch genauer: Autobahn A2 aus Richtung Dortmund Abfahrt Ostwestfalen/Lemgo, aus Richtung Hannover Abfahrt Rinteln.
Da der Start für den Marathon erst um 12 Uhr ist kann ich ganz gemütlich zu Hause frühstücken und mich auf die rund 100 km Fahrt machen. Da es von mir aus über Bundesstraßen geht benötige ich 1 ½ Stunden um an die Schule von Humfeld zu kommen. Direkt an der Route 66 ist das Laufzentrum für heute, denn neben dem Marathon gibt es noch einen Halbmarathon sowie einen 10km Lauf und verschiede Jugend- und Kinderläufe. Das Startgeld für den Marathon ist unterteilt in Idealistenstart für 8€ oder mit Shirt für 15€. Die Zahlen sind kein Schreibfehler. Nachmeldungen sind auch noch möglich ohne Aufpreis. Wer gerne im Lipperland auch mal kürzer laufen will findet unter www.lippe-hat-was.de viele Veranstaltungen.
Die Gegend, sprich das Lipperland ist mir noch gut bekannt aus meiner Zeit im Außendienst. Damals bin ich noch durch jedes Dorf gefahren das einen Rundfunk- oder Fernsehhändler hatte. Schon damals war ich von dieser herrlichen Landschaft mit den bewaldeten Kuppen begeistert.
Ich begebe mich so ca. 1 ½ Stunden vor dem Start in die Sporthalle und melde mich nach. 15€ zahlen und eine Startnummer und ein T-Shirt erhalten. Ich erhalte die Startnummer 131. Was der Veranstalter nicht weiß, dass dies heute mein 131. Marathon ist. Ich finde das Super.
Im Foyer der Schule sind auch schon 1 ½ Stunden vor dem Marathonstart die üblichen Täter vom MC100 da. Schneggi sitzt mit Gerd und Maria auf den Ministühlen der Schule und sind am Plaudern. Da mein Frühstück bis zum Start schon über 4 Stunden her ist, tanke ich meine Glykogenspeicher noch ein wenig mit Kaffee und Kuchen nach und setze mich dazu. Wer das Kuchenbuffet gesehen hat, die alle von den Landfrauen gebacken wurden, der weiß dass man hier nicht nein sagen kann.
Dann treffen nach und nach die Marathonis ein. Man könnte heute Morgen auch sagen es wird ein 100MC Treffen, denn die sind jedes Jahr hier zahlreich vertreten. Manche erzählen schon von ihrem 10. oder 15. Start hier. Dann trifft auch Heiner Schütte ein, der ganz begeistert von seinem 1. Schloss-Marienburg-Marathon erzählt. Er ist überwältigt das trotz 1. Lauf schon das Teilnehmerlimit von 200 für Marathon und 200 für den Halbmarathon erreicht ist. Er bekommt noch laufend Anmeldungen und muss die Läufer leider auf nächstes Jahr vertrösten. Unsere Leute hier am Tisch sind aber nächsten Samstag bei Heiner dabei.
Nun zurück nach Humfeld. Kurz vor 12 Uhr geht die Gruppe von rund 70 Marathon-Teilnehmern zum Start auf der nebenliegenden Straße. Hinter einem Strich (auf Höhe der Schalke-Fahne am Haus) auf der Straße wird gestartet. Axel gibt den Startschuss pünktlich um 12 Uhr Mittags und es geht los um die Schule und einer kleinen Runde durchs Dorf über die Obere und dann die Untere Dorfstraße.
Mitte des 15. Jh. waren die Orte hier wüst gefallen, was an den Seuchen damals gelegen haben kann, wobei ganze Landstriche entvölkert wurden oder an den Fehden der damaligen Zeit ist nicht bekannt. Humfeld im Tal der Bega bestand vor rund 550 Jahren aus Oberenhumfeld und Niederenhumfeld. Unter der jetzigen Kirche die rund 150 Jahre alt ist fand man Särge aus ausgehölten Baumstämmen. Diese meist übereinandergestellten Totenbäume waren üblich zur Zeit Karls des Großen. Rund 170 Einwohner gab es gegen Ende des 15. Jh. in Humfeld, deren Haupterwerb der Ackerbau war. Zur Zeit der Leibeigenschaft war die Kleidung der Bauern vorgeschrieben, kurzer Kittel aus grobem Leinen, übers Knie reichende Hose und durch Bänder zusammengehaltene Bundschuhe, kurze Haare denn lange Haare war das Privileg der Adeligen.
Bundschuhe die vornehmlich die Landbevölkerung im späten Mittelalter trug gibt es auch heute noch. Es sind Lederschuhe die mit langen Riemen gebunden wurden. Die Adeligen trugen damals Schnallenschuhe. Es gab schon im 2. Jh. bei den Germanen den Bundschuh. Im 16. Jh. wurde der Bundschuh das Gemeinschaftssymbol der Bauern im Vorfeld des Deutschen Bauernkrieges und in der Bauernbewegung. Heute sind die Laufschuhe meist das Gemeinschaftssymbol für Jogger, Volksläufer und Marathonis, zwar immer zu großen Volksversammlungen in Stadt oder auf dem Land, aber immer nur zu friedlichen Zwecken.
Es geht los aus dem Ort in Richtung des Ortsteiles Bega. Das Wetter ist hier normalerweise sehr mild, was wohl daran liegt das in diesem Landstrich maritimes Klima herrscht. Die meist milden Winter und nur mäßig warmen Sommer liegen unter atlantischen Einfluss. Die Jahresdurchschnittstemperaturen liegen hier bei nur etwa 8,6 Grad. Die Wettervorhersage für heute sagt uns Temperaturen um die 6 Grad und ein geringes Niederschlagsrisiko voraus. Vorweg genommen, es sind nur um die Null Grad, viel Nebel und zusammenaddiert rund 1 Stunde Sonne, aber kein Niederschlag.
Die Großgemeinde Dörentrup zu der Humfeld gehört ist auch eine bekannte Heilgegend für Atemwegserkrankungen. Dann bin ich ja als Asthmatiker hier genau richtig, also tief Ein- und Ausatmen und die Bronchien und Lungen gut reinigen und tief durchströmen lassen. Hier in der Nähe liegen die Heilbäder Bad Salzuflen, Bad Pyrmont, Bad Oeynhausen und Bad Meinberg.
Wir erreichen den Ortsrand von Bega und biegen in der Neubausiedlung in Richtung Wald ab. Hier beginnt dann auch der erste Anstieg. Bega war früher ein sogenanntes Gewanndorf mit einer Dreifelderwirtschaft. Für die Bestellung der Äcker war es früher wichtig, dass die Gewanne zehnfach so lang wie breit waren um die schweren Pflüge weniger wenden zu müssen. Im letzten und vorletzten Jahrhundert gingen viele junge Begaer als Ziegler (Arbeiter in Ziegeleien) auf Wanderschaft. In Bega gibt es noch einen der ältesten Zieglervereine (1892 gegründet).
Wir laufen am Waldrand entlang oberhalb des Dorfes und biegen dann über einen schmalen Trail in den Wald, der uns immer aufwärts führt in Richtung Sommersell. Der Ortsname ist dem Familiennamen Sudmar entnommen und wurde deshalb auch früher Sudmars Siedlung genannt. Vor 650 Jahren wurde der Ort erstmals Sommersele genannt. Wir erreichen den Ortsrand in einer Siedlung direkt am Wald.
Hier gibt es unsere erste Versorgung von zwei netten Damen mit Flüssigem und Festem an Nahrung. Hier beginnt auch unsere Runde von rund 16,5km die wir zweimal durchlaufen müssen um dann das bis jetzt zurückgelegte Stück zum Ziel abwärts zu erreichen.
Hier komme ich mit Dieter Trierweiler von der TG Lage ins Gespräch und er erzählt mit vom Teutoburger Waldmarathon wo er Mitveranstalter ist. Der waldreiche Marathon startet jedes Jahr am 2. Sonntag im Mai in Hörste einem Stadtteil von Lage. So erfährt man beim Laufen auch immer wieder neue Ziele, also nächstes Jahr am 11. Mai nach Lage-Hörste.
Jetzt erst Mal durch den Wald aufwärts zur Siedlung Blomenstein. Kurz vor der Kuppe kommt das 5-Km-Schild. Blomenstein (der blühende Stein) ist eine ganz alte keltische Kultstätte. Die Kelten die schon zur Bronzezeit 1750-800 v. Chr. hier lebten nutzten diesen Höhenpunkt als Sicht- und Richtungspunkt zur Nachrichtenübermittlung, denn es gab damals noch kein I-Phone. In der Nähe ließ sich sogar ein Keltenfürst begraben. Über Blomenstein könnte ich noch ganze Seiten füllen so viel Interessantes gibt es hierüber zu erzählen. Wir laufen jetzt vor dem ersten Haus links ab.
Die nächsten zwei Kilometer geht es über eine Asphaltstraße abwärts an den Rand von Wendlinghausen. Auch hier streifen wir nur den Ort wo ein herrliches Schloss & Gut liegt. In diesem Weserrenaissancestil erbauten Schloss wurden 1539 Hilmar von Münchhausen und Lucia von Reden vermählt. Er war der Vetter vom Lügenbaron, der hier oft Gast war und seine Lügengeschichten erzählte.
Hier in Wendlinghausen ist „Stan“ Reinhard Libuda geboren. Er wurde als Rechtsaußen bekannt wegen seiner Dribbelkunst. Den Älteren unter uns ist sicher noch der Spruch bekannt: „An Jesus kommt keiner vorbei“ „… außer ‚Stan‘ Libuda.
Für uns beginnt nun ein längerer Anstieg durch die Felder, vorbei am Cafe Falk in den Wald. Aber überall wo es aufwärts geht, geht es auch wieder abwärts und so erreichen wir über Wald-, Feld- und Wirtschaftswege Altendonop beim 10-Km-Schild.
Kurz danach kommt der zweite Versorgungsstand, der auch nur mit Frauen besetzt ist. Übrigens sind heute alle Versorgungsstationen vom Start bis zum Ziel nur mit Frauen besetzt. Vielen herzlichen Dank an die fleißigen Helferinnen für die nette und gute Verpflegung.
Der Ort gehört zur Gemeinde Blomberg. Der Ortsvorsteher der 259 Einwohner Gemeinde hat den schönen Namen Paolo Cameli. Der Ort ist geprägt von vielen Höfen. Hier befindet sich unter anderem auch ein ehemaliges Rittergut. Schon hier am Ortsrand sieht man die vielen schönen restaurierten Fachwerkgebäude mit ihren spektakulären Giebeln und Toren. Der Ort gewann auch 1999 den Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden – Unser Dorf hat Zukunft“.
Wir verlassen den Ort aufwärts über Wirtschaftswege und biegen dann ab um an den Waldrand zu kommen. Südlich der Laufstrecke sehen wir viele Windräder die doch eigentlich von viel Wind zeugen müssten. Hier ist es aber fast windstill.
Vom Waldrand aus haben wir einen bzw. hätten wir einen Fernblick gehabt, wenn der Nebel uns nicht die Fernsicht versperrt hätte. Wir folgen ein Stück dem Waldrand.
Dann kommen wir zur Streckenteilung der Marathonis von den Halb-Marathonis. Während sie den Rückweg durch den Wald nehmen biegen wir ab und laufen zwischen den ersten Windrädern runter über Feldwege zur Route 66n.
Auf der anderen Straßenseite liegt der Ort Großenmarpe, was soviel heißen soll wie Moor oder Sumpfwasser. Die erste Erwähnung dieses Ortes ist schon aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts. Zu Beginn des 19. Jh. gab es hier viele Höfe die in Leibeigenschaft der Grundherren bewirtschaftet wurden.
An den ersten Häusern wechseln wir die Richtung und es geht über die Landwehr aufwärts, an den Windrädern entlang zum Wald. Auf halber Höhe haben wir die ersten 15km geschafft, aber noch nicht den Berg. Kurz vorm Waldrand gibt es die dritte Versorgung. Dann tauchen wir in den Wald ein. Es geht noch immer aufwärts.
Nun folgt eine längere Strecke durch den Wald wo uns ab und zu Spaziergänger begegnen die uns seltsam nachschauen. Der Königsweg führt uns an den Waldrand, mit einem herrlichen Blick runter nach Sommersell. Im Sonnenschein sehen wir den Ort an der gegenüberliegenden Bergseite. Zu Beginn der ersten Runde sind wir dort schon auf der anderen Seite in den Wald gekommen. Jetzt heißt es aber erst Mal weiter oberhalb auf dieser Seite am Sani-Fahrzeug vorbei und am Waldrand entlang.
Dann biegen wir auf eine große Feldrunde die uns abwärts zum Ortsrand bringt. Das Kilometerschild 20 liegt ca. 1km vor den ersten Häusern. Beim Erreichen des ersten Hauses heißt es nun am Waldrand rund 350m aufwärts. Dann kommt die Erlösung durch den Wald und weiter am Waldrand geht es zum Ende der 1. Großen Runde. Hier erfolgt wieder die Versorgung.
Wir verabschieden uns auf unsere zweite Runde mit dem Hinweis, wir kommen noch ein Mal vorbei. In der zweiten Runde wird der Nebel wieder stärker und die Sonne lässt sich nur wenig sehen. Es geht wieder an Blomenstein und Wendlinghausen vorbei. Im Wald dahinter ist das Km-Schild 25. Weiter geht’s durch Altendonop, wo wir wieder herzlich versorgt werden. Wie ich die netten Damen verabschieden will, das sie Feierabend machen können bekomme ich den Hinweis das noch drei Marathonis (Thomas Theuerkorn, Helmut Braun und Hans Schneggi Drexler) unterwegs sind, die sich gerade am Cafe Falk befinden.
Altendonop lebte früher nur von der Landwirtschaft. Jedoch im Laufe der Jahre ging dies immer mehr zurück und heute gibt es nur noch zwei Landwirtschaftsbetriebe. Die meisten Höfe und alten Häuser wurden restauriert und geben heute ein schönes Bild dieser alten Bauweise im Lipperland ab.
Nun geht es zum zweiten Mal hinter dem Ort aufwärts über die Felder hoch zum Wald. Die Sonne kommt sogar manchmal durch den Nebel und gibt uns ein wenig Wärme.
Wir folgen dem Wald bis zur Marathonweiche und biegen dann runter zwischen die Felder ab. Auf dem Wirtschaftsweg Richtung Großenmarpe steht zwischen den Windrädern das 30 Km-Schild. Also nochmal runter und dann auf der anderen Seite rauf in den Wald. Kurz vorher gibt es nochmal Versorgung. Dann geht es weiter über den Königsweg durch den Wald. Kurz vorm Waldrand von Sommersell steht das 35 Km-Schild. Es folgt das letzte Mal der Anstieg zum Wald und an unserer ersten Versorgungsstation verlassen wir die große Runde.
Auf den letzten 4,5km geht es fast nur noch abwärts. Jetzt im Wald wird es schon dunkel und die Tannenzapfen auf dem Waldweg können zu gefährlichen Rutschern werden. Hier ist jetzt große Aufmerksamkeit notwendig um nicht zu stürzen.
Wie ich dann den Ortsrand von Bega erreiche ist es auch schon dunkel und sehr, sehr nebelig. Es ist zwar erst Viertel vor Fünf aber die Nacht beginnt heute schon sehr früh. Jetzt im dichten Nebel ist es gut, dass an allen Abbiegungen Posten stehen, die durch ihre Leuchtwesten gut zu erkennen sind. Die Strecke ist zwar sehr gut mit Sägespännen-Pfeilen gekennzeichnet, die man aber erst sieht wenn man direkt davor ist.
Kurz hintern Ortsende von Bega steht auf der rechten Seite, an der K73 das 40 Km-Schild. Hallo Leute, auf der Landstraße läuft man immer links dem Verkehr in die Augen sehend. Bitte das Schild beim nächsten Mal auch auf die linke Straßenseite platzieren.
Noch einmal abbiegen und nur ein Stück weiter erreichen wir das Ortsschild Humfeld. Im dichten Nebel erreiche ich den Ortsrand und fast versteckt in der Dunkelheit entdecke ich das Schild Noch 1km, bitte auch hier links hin mit dem Schild.
Durch den dichten Nebel geht es im Ort zur Schule wo ich auf dem Schulhof nach 5:09 das Ziel durchlaufe. Jetzt noch mal warmen Tee, denn es ist saukalt. Kurz hinterm Ziel ist Heiner gerade dabei sich zwei Bratwürste zu gönnen. Gute Idee Bratwurst zum Aufwärmen und den leeren Magen füllen. Gegessen wird dann aber im Foyer der Schule. Hier sitzen wir dann noch ein wenig zusammen und dann kommt auch schon Axel mit unseren Urkunden um uns zu gratulieren.
Als Resümee passen die Worte von Axel Offel, dem Veranstaltungschef: Die Strecke ist anspruchsvoll, da es immer wieder bergauf und bergab geht. Sie ist aber wieder landschaftlich reizvoll, und man sollte sich die Zeit nehmen, die Lippische Landschaft zu betrachten. Die Strecke ist nicht für Bestzeiten geeignet. Da gibt es nichts mehr hinzu zu fügen, außer vielleicht Marathonsammler kommt hierher um auch den 35. Volksmarathon Humfeld zu besuchen.