9. Braunschweig Marathon 2009

Zweimal Südsee und zurück

25.10.2009 von Bernd Neumann

 Eigentlich heißt er ja Braunschweig-Wolfenbüttel Marathon, aber ab diesem Jahr gibt es zwei Runden durch Braunschweig, ohne Wolfenbüttel. Das Organisationsteam um Dieter Grabow und Manuela Engelstädter kündigten schon 2008 nach dem Lauf Änderungen an, denn bei rund 700 Startern und nur 138 Marathon-Finishern ist es personell sehr schwierig einen Ein-Rundenkurs aufrechtzuerhalten. Auch wenn die Veranstalter mit rund 700 Startern auf allen Strecken zufrieden sind, wird die 2009er Auflage für die Marathonis zweimal die Halbmarathonrunde sein und so war es dann auch. Damit es kein Gedränge am Start gibt, sind die Startzeiten für die einzelnen Wettbewerbe unterschiedlich. Im Laufangebot gibt es heute den Marathon, Halbmarathon, 10km und 3km Lauf.

 Nun kurz etwas zur Geschichte der Stadt Braunschweig. Das Braunschweiger Land hat eine 270.000-jährige Vergangenheit, denn hier wurden die sogenannten Schöninger Speere gefunden. Die Ursprünge Braunschweigs gehen in das 9. Jahrhundert zurück, wo auf beiden Seiten der Oker die Siedlungen Brunswik und Dankwarderode entstanden sind. Erst durch Heinrich den Löwen wurde die Stadt eine einflussreiche Handelsmetropole und gehörte ab Mitte des 13. Jahrhunderts der Hanse an. 1166 ließ Heinrich der Löwe den bronzenen Löwen vor dem Dom aufstellen und seit damals ist er das Wappentier der Stadt. Das Evangeliar Heinrichs des Löwen gilt als das Hauptwerk der romanischen Buchmalerei des 12. Jahrhunderts und wurde bei uns in Nordhessen in der Benediktinerabtei Helmarshausen angefertigt und 1983 für 32,5 Mill. DM für Deutschland in London ersteigert. Es befindet sich jetzt in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel und wird nur alle 2 Jahre der Öffentlichkeit gezeigt. Ich habe zu Hause ein Faksimile einer Seite aus diesem Evangeliar.

 Ich mache mich früh auf den Weg nach Braunschweig, das nur 160 Km von meiner Heimatstadt Vellmar bei Kassel liegt. Nach knapp 2 Stunden befinde ich mich in der Stadt und parke in der Nähe vom Kohlmarkt, dem Start- und Zielplatz in Braunschweig. Nun zuerst nachmelden und umziehen für den Lauf. Da ich noch ein wenig Zeit habe sehe ich mich hier am Kohlmarkt noch um.

 Der Name Kohlmarkt hat nichts mit dem Gemüse zu tun, sondern damit ist ursprünglich „Kohlenmarkt“ gemeint. Früher wurde hier Kohle gelagert und verkauft. Heute ist das städtebauliche Ensemble Kohlmarkt wirklich sehenswert. Das Haus zum goldenen Stern ein früheres Fachwerkgebäude das 1894 durch einen Steinbau ersetzt wurde, war mehrfach die Herberge von Gotthold Ephraim Lessing. Das daneben stehende Haus zur Rose hat zwischen den spätgotischen Fenstern goldene Inschriften. Sehenswert ist auch das Haus zur Sonne mit seiner Fassade auf der eine goldene Sonne glänzt, sowie das Haus Leuen-Turm. Der auf dem Platz befindliche Brunnen versorgte die Bevölkerung von 1391 bis 1869 mit Wasser. Der Platz wurde vielfach umgestaltet und hat den einst belebtesten Plätzen Burgplatz und Altstadtplatz den Rang abgelaufen.

 Der Braunschweig-Wolfenbüttel-Marathon bietet für die Zukunft seinen treuen Fans noch etwas ganz besonderes, denn jeder der sich in die Clubliste einträgt, kann ab seinem 10. Braunschweig-Wolfenbüttel-Marathon an allen folgenden Starts gratis teilnehmen. Auch die Startzeiten sind in Braunschweig etwas Besonderes. Wir die Marathonis gehen um 10 Uhr auf die Strecke. Danach folgen uns um 10:10 Uhr die 10km und um 10:15 die 3Km Läufer. Die Halben starten eine Stunde nach uns und entzerren damit die Strecke von Anfang an. Außerdem hat es auch noch den Vorteil für die langsameren Marathonis das sie in der 2. Runde auf Zuschauer treffen, sofern vorhanden, die auf ihre Halbmarathonis warten.

 Startschuss und das Feld von 200 LäuferInnen setzt sich recht schnell in Bewegung. Wir überqueren den Kohlmarkt und laufen durch die Fußgängerzone an den Stiftsherrenhäusern über die kleine Burg (einer der wenigen noch erhaltenen alten Straßenzüge Braunschweigs) direkt auf den Dom zu. Der Dom St. Blasii wurde 1173 als eine romanische Pfeilerbasilika erbaut und ist auch die Grabstätte Heinrichs des Löwen und Kaiser Ottos IV. Durch mein vieles fotografieren gleich zu Beginn bin ich schon fast letzter nur noch Sigrid Eichner vom 100 Marathon Club ist noch hinter mir. Sie hat die Erfahrung und geht bewusst langsam an. Heute wird sie ihren 1.450 Marathon finishen.

 Wir überqueren den Domplatz und lassen den Burgplatz der auf der anderen Seite vom Dom liegt mit dem Symbol von Braunschweig dem „Burglöwen“ links liegen. Mit einem kurzen Blick in die Münzstrasse können wir einen kleinen Teil der Burg Dankwarderode erhaschen, die einst die Residenz Heinrich des Löwen war.

 Weiter geht’s über den Platz der Deutschen Einheit, auf der linker Hand das Rathaus von 1894 im neugotischen Stil liegt. Wir überqueren den Bohlweg über die Straßenbahnschienen und erreichen schon den Schlossplatz. Hier steht das alte Welfenschloss in seiner ganzen Breite. Vom Portikus winkt uns die Stadtgöttin Brunania als Wagenlenkerin, von der größten Quadriga Europas. Vor dem Schloss grüßt uns das Reiterstandbild von Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig (1735-1806), Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel und Friedrich Wilhelm (1771-1815), Herzog zu Braunschweig und Lüneburg.

 Wir umlaufen ein Stück das Schloss und vor uns sind die kitschig oder poppig bunten Häusertürme des New Yorker Künstlers James Rizzi.

 Es geht um die bunten Häuser rum und schon sind wir im Magniviertel, ein Altstadtviertel mit vielen hübschen Gassen und historischen Fachwerkbauten sowie der Magnikirche mit Kirchplatz. Am Ende des Platzes steht an einer Seitengasse ein gotisches Haus von 1490. Wir umlaufen das Städtische Museum und kommen auf den Löwenwall. Wir umrunden „laufend“ den kleinen Park mit dem 22m hohen Obelisk und kommen auf den Steintorwall.

 Kurz danach erreichen wir den Museumspark. Hier befindet sich das Herzog-Anton-Ulrich-Museum, das schon seit 1754 als erstes öffentliches Museum Deutschlands gilt. Wir biegen vor dem Museum rechts ab und durchlaufen den herrlich herbstlichen Park. Am Staatstheater biegen wir auf die Jasperallee ab. In diesen ersten 2 Kilometern haben wir viel vom historischen Braunschweig gesehen.

 Jetzt geht es durch den Stadtpark zum Franzschen Feld. Hinter der Mattäuskirche biegen wir ab und durchqueren den Prinz-Albrecht-Park. Es geht durch Gartenanlagen vorbei am Lünischteich hinaus ins Grüne Naturschutzgebiet Riddagshausen.

 Wir kommen hinter Km 7 an das Flüsschen Mittelriede durchlaufen eine weitere Eisenbahnunterführung und kommen auf freies Feld. Die Strecke führt jetzt ca. 1,5km über einen Feldweg zur B1. Auf diesem Stück bläst uns ein heftiger Wind von vorn entgegen. Wir biegen an der B1 ab und laufen mit starkem Gegenwind leicht bergauf der Helmstedter Strasse entlang. Kurz vor der Eisenbahnbrücke biegen wir auf einen Fußweg ab und laufen am Eisenbahnausbesserungswerk entlang über die Borsigstrasse.

 Über die Schwartzkopfstrasse geht es Richtung Autobahn. Wir kommen am Stadion Rote Wiese vorbei, der Heimat vom Welfen Sportclub, wo gerade ein Rugbyspiel läuft. Wir unterlaufen wieder eine Brücke und kommen an einen Parkplatz im Bereich von Kleingärten. Hier müssen wir eine große Schleife um den Parkplatz laufen. Wahrscheinlich damit uns die fehlenden Meter durch die Baustelle wieder ergänzt werden. Abkürzen ist nicht möglich, denn am Parkplatz steht ein Streckenposten. Es geht weiter zum Autobahnkreus Braunschweig-Süd.

 Wir umlaufen das Autobahnkreuz und müssen entgegen des Streckenplanes, im Internet eine aktuelle Umleitung laufen wegen Straßenbau. Dadurch laufen wir schon jetzt bei Km 13 in den Richmond Park. Wir kommen aus einem kleinen Wäldchen und rechter Hand vor uns taucht das Schloss Richmond auf dem Hügel auf. Schloss Richmond und der als im Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegte Park wurden 1768–1769 für die Prinzessin und spätere Herzogin Augusta (1737–1813), der Gemahlin Karl-Wilhelm Ferdinands errichtet.

 Am Ende des Parks überqueren wir die Oker und laufen im Richmondpark südwärts. Hier ist nun ein Begegnungsstück für uns Läufer und wir können sehen, wer schon den See umrundet hat und auf dem Weg Richtung Innenstadt ist. Links von uns sehen wir noch mal das Richmond Schloss und es geht weiter unter der Autobahn durch. Hier ist auch die Baustelle die uns zur Streckenänderung gezwungen hat. Nun kommen wir an das nördliche Kopfende des Südsees.

 Der Südsee hat eine Fläche von 228.000 m2 deren Baubeginn erst 1958 losging, als Überschwemmungsgebiet für die Oker. Der Südsee wird nicht durch die parallel laufende Oker gespeist, sondern durch den Fuhsekanal. Heute ist er ein Erholungs- und Joggergebiet. Unsere Umrundung beginnen wir im Uhrzeigersinn am Heim der Naturfreunde. Hier ist auch eine Versorgungsstation. Weiter geht es vorbei am Seglerheim mit Bootsplätzen und Slipanlage nach Süden. Wir umrunden die Südspitze und kommen östlich vorbei an der DLRG Wachstation. Eine Runde um den Südsee sind 3,5km. Am See gibt es strenge Regeln, es gilt Badeverbot sowie Reitverbot und es sind nur Segelboote, kleine Schlauchboot und Surfbretter erlaubt.

 An der Nordspitze, ca. Km 15 kommen wir wieder an das Begegnungsstück und laufen unter der Autobahn durch und weiter geht`s durch den Richmondpark gen Norden. Die Laufstrecke führt über den Grünteil des Messegeländes und vorbei am Reisemobilplatz in den Bürgerpark, den wir durchqueren. Am Ende beginnt der Kiryat-Tivon-Park (Kiryat Tivon eine Stadt in Galiläa im Norden Israels – Städtepartnerschaft mit Braunschweig). Links des Parks liegt die große Volkswagenhalle. Eine Veranstaltungshalle mit Platz für bis zu 8.000 Besuchern.

 Wir unterqueren die Konrad-Adenauer-Str. und kommen am Bruchtorwall auf den Friedrich-Wilhelm-Platz. Hier beginnt die Innenstadt und der Bereich der Fußgängerzone. Ein kurzes Stück über die Friedrich-Wilhelm-Str. und vor dem historischen Gebäude der Postrentenversicherung biegen wir auf die Zielgerade ab und sind schon wieder am Kohlmarkt.

 Hier haben die Halben ihr Ziel erreicht. Da diese jedoch eine Stunde nach uns gestartet sind, ist bei einer Zielzeit von 1:18:07 noch keiner an mir vorbei und durchs Ziel. Ich nehme mir heute Zeit und so werden während ich mich in die 2. Runde begebe nach und nach die 485 HalbmarathonläuferInnen ins Ziel kommen.

 Die 2. Runde ist streckentechnisch identisch mit der 1. Runde. Das Wetter, ja das liebe Wetter es hat es gut mit uns gemeint. Während beim Start die Straßen noch nass waren, so wurde es im Laufe der Runden sonnig und warm. Nur im Bereich des Südsees waren die Wege noch matschig, der Rest war nach und nach abgetrocknet.

 Hinter Km 30 komme ich mit Hans Joachim Meyer vom 100 Marathon Club ins Gespräch der auch weit über 1.000 Marathons gelaufen ist. Gestern erst war er beim 1. Südheide Marathon in Gifhorn-Wilsche, den er in über 5 Stunden finishte. Heute läuft es bei ihm viel besser. Er wird den heutigen Lauf in 4:34:09 beenden und gewinnt damit die Altersklasse. Nächstes Wochenende, wenn er 70 wird, will er lauffrei machen.

 Kurz danach komme ich mit Hans-Joachim Deckmann, der nächstes Jahr in die M 70 kommt, ins Gespräch. Er läuft heute seinen 100. Marathon. In der 2. Runde muss ich hin und wieder Gehpausen einlegen, denn ich merke doch noch meinen Marathon vom letzten Sonntag in Echternach. Mein Ziel unter 5 Stunden (4:55:34) erreiche ich aber dennoch und bin glücklich auch meinen 67. Marathon (19. in 2009) gefinisht zu haben.

 Fazit: Eine gut organisierte Veranstaltung mit einem tollen wenn auch nur kurzem Stück durch die historische Altstadt von Braunschweig. Ausreichende und gut bestückte Versorgungsstationen waren unterwegs mit stets freundlichen Helfern. Zuschauer wenige meist nur Spaziergänger. Durch die geringe Teilnehmerzahl beim Marathon ist man schon recht früh allein auf der Strecke. Der Lauf ist eine Kombination aus Stadt und Landschaftslauf und auf jeden Fall empfehlenswert. Durch die vielen Brücken drüber und drunter kommen doch so einige Höhenmeter zusammen.

 Ins Ziel kamen 195 Marathonis (Zeiten zwischen 2:53:10 und 5:19:52), 485 Halbmarathonis, sowie 202 LäuferInnen auf den 10 Km und 31 auf der 3 Km Runde. Gegenüber den ca. 700 Teilnehmern aus 2008 doch eine erhebliche Steigerung auf 913 im Ziel.

Ergebnisse:

Männer         1.         Tim Bielmann               SV Herta Otze Triathlon            2:42:12

2.         Thomas Heuck             TSV Lelm                                  2:55:52

3.         Henry Härtinger            TV Lebach                                2:58:24

Frauen          1.         Christiane Zehrer                                                           3:20:04

2.         Katrin Müller                 Praxisteam Dr. Wörffel              3:25:09

3.         Iris Brümmer                Lauftreff Braunschweig              3:28:36

 Nach dem Lauf und Duschen machte ich mich noch auf einen kleinen Kulturrundgang durch den Altstadtbereich von Braunschweig. Dieser Kulturgang begann schon auf dem Weg zu den Duschen, denn der Weg dorthin ging durch die Postrasse direkt auf die Giebelseite des Gewandhaus zu. Dieses Gebäude zählte schon 1303 zur vornehmsten Gilde den Gewandschneidern und war damals Lager- und Umschlagplatz. Der Ostgiebel ist sehr beeindruckend und wird heute zu den bedeutendsten Werken der Renaissancebaukunst in Braunschweig gerechnet. Vorbei am alten Zoll- und Landwehrhaus komme ich so auf den Altstadtmarkt.

 Mitten auf dem Platz steht der Marienbrunnen und schräg dahinter das mittelalterliche gotische Altstadtrathaus. Der Brunnen aus dem Jahr 1408 ist ein einzigartiges Zeugnis spätgotischer Handwerkskunst. Das mittelalterliche Altstadtrathaus besteht aus zwei rechtwinkelig zusammenstoßenden Flügeln. An den Balkonen befinde sich Figuren die ottonische und welfische Kaiser, Könige und Herzöge mit ihren Frauen darstellen. In einem der Säulen ist die Braunschweiger Elle (57,07cm), das Maß der Tuchhändler eingelassen. Links gegenüber steht die Pfarrkirche St. Martini aus dem 12. Jahrhundert. Hinter dem Altstadtmarkt im Gymnasium Martino-Katharineum finde ich herrlich warme Duschen.

 Anschließend begebe ich mich noch auf den nahe gelegenen Domplatz und besichtige den herrlichen evangelischen-lutherischen Dom mit seinen wunderschönen Deckenmalereien. Zu den wichtigsten Kunstwerken der Kirche gehören, der siebenarmige Leuchter (um 1170/80), der Marienaltar (1188) und das aus Holz geschnitzte Kruzifix Imervard (Imervardkreuz, 2. Hälfte 12. Jahrhundert) sowie das Grabmal von Heinrich dem Löwen und Mathilde.

 Beim Verlassen des Domes sticht das gegenüberliegende Huneborstelsche Haus mit seiner Fachwerkfassade ins Auge. Beim Blick nach rechts sehe ich die ehemalige Residenz von Heinrich dem Löwen, die Burg Dankwarderode. Auf den Grundriss von 1175 wurde der Saalbau rekonstruiert und enthält heute die mittelalterliche Abteilung des Herzog Anton Ulrich Museums. Im Obergeschoss befindet sich der prächtige Rittersaal und im Knappensaal der Burg präsentieren sich Teile des Welfenschatzes und wertvolle liturgische Gewänder.

 Auf dem Domplatz ist das Wahrzeichen der Macht und Gerichtsbarkeit von Heinrich dem Löwen, der Burglöwe. Der Bronzeguss von 1166 ist die erste monumentale Freifigur nördlich der Alpen.

 Es wird langsam kühl und meine Beine schwerer. So mache ich mich auf den Weg zu meinem Auto. Ich gehe dann noch durch eine weitere historische Straße zum Kohlmarkt. Braunschweig hat noch viel mehr zu bieten. Eine Stadt die sich auch ohne Marathon zu besuchen lohnt.