4. Ottonenlauf 2010

Über den Selketal-Stieg zur Lieblingspfalz von Kaiser Otto

 

7. August 2010 von Bernd Neumann

 Der Ottonenlauf der in diesem Jahr schon zum 4. Mal stattfindet ist ein Naturerlebnislauf der über den Selketal-Stieg von der Selke Quelle nach Quedlinburg führt. Der Untergrund wechselt zwischen Wald- und Forstwegen sowie einigen urigen Trails ab.

 Angeboten werden vom Veranstalter dem KreisSportBund Harz aus Wernigerode 3 Lauf- und 2 Wanderstrecken. Wer der Selke von der Quelle folgen will der muss den Supermarathon (69 km) wählen, wo es um 7:00 Uhr ab Stiege losgeht. Wem das zu lang ist der hat die Möglichkeit den Marathon (44 km) um 9:00 Uhr ab Alexisbad zu wählen. Wem auch das noch zu lang ist der kann den Halbmarathon (24,5 km) um 10:00 Uhr ab Meisdorf wählen. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit die Strecke 44km ab 7 Uhr Alexisbad und die Strecke 24,5km ab 8 Uhr Meisdorf zu Wandern. Durch den großzügigen Zielschluss für alle Strecken um 18:00 Uhr in Quedlinburg auf dem Sportplatz “Moorberg” sollte dies jeder schaffen.

 Die Bezeichnung Ottonen geht auf die drei liudolfingischen Kaiser Otto I, Otto II und Otto III zurück. Die Liudolfinger die nach der Kaiserkrönung auch Ottonen genannt wurden regierten im Heiligen Römischen Reich von 919-1024. Sie waren ein sächsisches Adelsgeschlecht deren kaiserliches Familienstift und Lieblingspfalz in Quedlinburg stand. Im Früh- und Hochmittelalter entstanden Pfalzen, die Stützpunkte für den reisenden König waren, um dort seine Amtshandlungen und Hoftage abzuhalten. Besonders wichtig waren die Pfalzen wo die Könige ihre Feste (z. B. Ostern) feierten. Das wichtigste Fest der weltlichen Herrscher war Ostern und wurde vom 10. bis zum 12. Jahrhundert in der Quedlinburger Osterpfalz gefeiert.

 Mit dem Schlossberg, dem Münzenberg und der Wipertikirche sind noch heute Originalschauplätze erhalten. Die Innenstadt von Quedlinburg bleibt uns auf der Laufstrecke jedoch verwehrt, denn unser Ziel ist vor der Stadt mit Blick zum Brocken und zu den Wirkungsstätten der Ottonen.

 Ich wähle für heute den 44km Marathon von Alexisbad nach Quedlinburg. Für diese Strecke habe ich 9 Stunden Zeit was ein Kilometerschnitt von 12 ¼ Minuten (4,9 km/h) beträgt. Das sollte ich trotz der vielen Anstiege und meiner 5 Marathons im Juli schaffen. Auf dem Streckenprofil geht die Strecke immer fröhlich auf und ab bis ins Ziel.

 Da Alexisbad nur 160km von meinem Heimatort entfernt liegt wähle ich die Anfahrt am Morgen über die A7 und A38. Bei Berga verlasse ich die Autobahn und fahre die letzten knapp 50km über die Landstraße in den Harz zum Startort. Kurz vor Alexisbad kommt die Selke von Norden her an die B 185, über einen Wasserfall und begleitet uns mit den Schienen der Selketalbahn zum Ort.

 Bevor ich zum Start- und Meldeplatz komme steht hinter den Schienen das heute noch erhaltene  Teehäuschen (1815) der ehemaligen Herzogin das heute zu einer evangelischen Kapelle umgebaut ist. Nur ein kurzes Stück weiter befindet sich der alte Schwefelkiesstollen. Links davor fließt das Heilwasser aus dem Selkebrunnen (Schwefelbrunnen) der ehemaligen Badequelle.

  Der Ort besteht nur aus wenigen Hotels und Gaststätten und 42 Einwohnern. Im Jahre 975 stand hier das Kloster Hangenrode. Früher gab es hier Gruben in denen Silber und später Schwefelkies (Pyrit) abgebaut wurde. 1766 wurde das Grubenwasser auf seine Heilkraft untersucht und wegen seines Eisen-, Bittersalz- und Kocherde-Gehalts fand hier 6 Jahre lang ein Badebetrieb statt. 1809 gab es eine erneute Untersuchung und wegen seines Gehaltes an Iod, Fluor und Eisen lebte erneut ein Kurbetrieb auf.

 Nur wenige Häuser weiter auf der B 185 gegenüber vom Bahnhof befindet sich das Resort Habichtstein. Während ich hier gegen 7:30 Uhr ankomme sind die ca. 70 Ultra- oder Supermarathon Läufer schon eine halbe Stunde unterwegs. Sie werden je nach Tempo so zwischen 9:10 Uhr und 10:30 Uhr an der Versorgung (Km 25 für die Ultras) ca. 200 Meter von unserem Start vorbeikommen. Erstaunlicherweise haben sich heute Morgen hier nur ca. 40 Läufer und Läuferinnen sowie 23 Wanderer eingefunden um die 44km Strecke zu bewältigen. Bei den meisten Veranstaltungen ist es eher umgekehrt da bilden die Ultras das kleinere Feld.

 Ich treffe heute Morgen bekannte Gesichter vom letzten Samstag aus Bad Pyrmont. Wolfgang Schwabe ist wieder da, der schon den 1. Ottonenlauf im August 2007 gelaufen ist. Auch Jürgen Roscher aus Berlin ist hier. Mit ihm bin ich in Salzburg letztes Jahr gelaufen wo er seinen 500. Marathon gefinisht hat.

 Kurz vor 9 Uhr bekommen wir den Befehl uns auf der B185 zu sammeln und werden auf die Streckenmarkierung aufmerksam gemacht , die heute ausschließlich aus Neongelben Punkten und Pfeilen besteht. An wenigen Stellen gibt es auch noch zusätzlich Flatterbänder. Wir sollten auf keinen Fall den roten Pfeilen folgen, denn die sind vom Klippenlauf. Es warnt uns noch denn nach wenigen Hundert Metern beginnt ein Aufstieg wir sollten es also langsam angehen lassen. Der Bürgermeister hält noch eine kurze Ansprache dann wird eine Handyverbindung zum Zielbereich hergestellt und wir zählen die letzten Sekunden runter und los geht es ganz unspektakulär. Das schöne bei solchen Naturläufen ist immer wieder es gibt keine Hektik und die Teilnehmer laufen verhalten los, denn man weis was man vor sich hat.

 Wir laufen ein Stück die B185 runter die für uns gesperrt ist. Nach ca. 200 Metern geht es über ein Brückchen über die Selke einen kurzen Trail und wieder über ein Brückchen. Jetzt so nach weiteren 200m beginnt der Aufstieg über einen schmalen Pfad. Er führt uns in Serpentinen hoch von 328m ü. NN. bei 0,4km auf 387m bei 0,9 km. Wir sind jetzt auf dem Selketal-Stieg.

 Der Selketal-Stieg ist 2006 als ausgeschilderte Wanderroute angelegt worden. Die 69 km lange Strecke wird in Wanderführern oft als Mehrtages-Tour angeboten (www.wanderkompass.de) fernwanderweg-niedersachsen-selketal-stieg). Etappe1 von Stiege nach Alexisbad heute nur für die Ultras, Etappe 2 von Alexisbad bis Meisdorf, Etappe 3 von Meisdorf bis Bad Suderode und Etappe 4 von Bad Suderode nach Quedlinburg. Wir steigen sozusagen bei Etappe zwei ein. Die Etappe 4 beenden wir schon vor der Stadt Quedlinburg nach 6,5 km.

 Wir sind jetzt auf dem Habichtstein und folgen dem Landschaftspark über den Klippenweg in nördliche Richtung. Bei ca. Km 2 steht die Verlobungsurne. Auf einem Sockel befindet sich auf schwarzem Stein die in Kunstguss hergestellte Urne. Den Namen hat sie erhalten durch die Eingravierungen der Namen von sechs Frauen und sechs Männern. Nach 200 Metern kommen wir am Birkenhäuschen vorbei und erreichen nach weiteren 600 Metern das Friedensdenkmal (1898). Die Strecke verläuft auf einem sehr unebenen felsigen Trailpfad. Hier ist besser gehen angesagt, denn ich bekomme mit wie hinter mir jemand gestürzt ist. Es soll doch nicht zum Blutpfad werden.

 Hinter dem Friedensdenkmal verlassen wir den Klippenweg und kommen nach einem weiteren Anstieg hinter der Luisenklippe zum Luisentempel (1823). Der Rundtempel ist benannt nach der Tochter des Herzogs Alexius Friedrich Christian von Anhalt-Bernburg, der Alexisbad seinen Namen gab.

 Es geht wieder bergab und wir erreichen den Pionierweg dem wir bergauf folgen. Auf dem kreuzenden Hohlweg gibt es Fahrspuren aus dem Mittelalter zu bestaunen. Wir folgen dem Pionierweg weiter und müssen einen Felstunnel (Pioniertunnel) durchqueren bei dem selbst ich den Kopf einziehen muss. Dahinter gibt es wieder einen sehr felsigen Trailabschnitt.

 Hinter der nächsten Kurve können wir schon in der Ferne auf dem Felsen der Schalkenburg die Köthener Hütte sehen. Sie sieht von weitem wie eine Kapelle aus durch den Glockenturm, was ihr zu der Bezeichnung Kapelle verhalf.

 Kurz vor der Hütte kommen zwei ganz eilige Ultras vorbei die keinen Blick dafür haben. Ich hingegen gehe zur Hütte und fotografiere sie von der Klippe aus. Dann geht es weiter über den Klippenweg vorbei an der Freundschaftsklippe zur Mägdetrappe. Hier steht ein großes eisernes Kreuz das in Verbindung mit dem Luisentempel steht, hier danken dem Prinz Friedrich von Preußen und seine Gemahlin Luise Wilhelmine ihrem Vater Herzog Alexius.

 Die Strecke führt weiter über den Klippenweg. Ein verlaufen ist hier unmöglich denn überall findet man die neongelben Punkte oder Pfeile. Auf den nächsten 500 Metern geht es über 100 Höhenmeter bergab. Wir kommen jetzt bei km 7 in Mägdesprung direkt an die Selke, die wir überqueren. Im gegenüberliegenden Garten steht eine der vielen Kunstgusse die hier in der naheliegenden Eisenhütte hergestellt wurden. Zu diesen Kunstgussen gehören auch die Verlobungsurne, der Luisentempel, das Kreuz oder die Tiergroßplastik „Besiegter Hirsch“.

 Hinter der Selke im Selketal liegt das Industriemuseum Carlswerk. Der Gründer Fürst Friedrich von Anhalt-Bernburg-Harzgerode versuchte das durch den 30-jährigen Krieg in fünf kleine Fürstentümer zerfallene Gebiet eine wirtschaftliche Bedeutung zu geben. Der Standort war besonders wichtig nach der Entdeckung der Eisenmineralvorkommen, denn es gab Wald für das Schlagen von Bauholz und das Brennen von Holzkohle. Zur Energiegewinnung für die Maschinen, Gebläse und das Hammerwerk war das vorhandensein von fließendem Wasser wie es die Selke gab sehr wichtig.

 Die Wirtschaftlichkeit war jedoch nicht gegeben und so wechselte der Besitz mehrfach im Laufe der Jahrzehnte. 1729 kaufte der Fürst Viktor Amadeus von Anhalt-Bernburg die Hütte und nutzte sie zur Silbergewinnung. Erst 1757 wurde wieder Eisenerz verhüttet. Es wurden nach und nach immer mehr Gebrauchsgegenstände wie Beile, Spaten, Pflugscharen und Gewehrläufe hergestellt. Ab 1821 wurde der Kunstguss für das Werk immer wichtiger. Heute noch zeugen viele dieser Produkte von der Herstellung aus der Mägdesprunger Eisenhütte. Das Werk arbeite jedoch nie richtig rentabel und so gab es es laufendes auf und ab. Die Besitzer wechselten immer wieder. 1959 wurde das Werk zur Zeit der DDR verstaatlicht. Um es rentabel zu machen mußte investiert werden. Dann sollte es eine Schaugiesserei werden. Mit der Deutschen Einheit wurde es jedoch dann geschlossen und 1991 die Belegschaft entlassen. Elf Jahre später wurde es der Allgemeinheit als technisches Museum zugägnlich gemacht. In liebevoller Kleinarbeit ist so heute noch der letzte Arbeitstag im Museum sichtbar. Erhalten ist auch noch die nebenstehende Schmiede.

 Vor dem Gebäude befindet sich eine Versorgungsstation. Da die Tür zum Museum offenstehtmuß ich natürlich gleich rein und fotografieren. Alte Technik hat für mich einen Anziehungspunkt und zeugt vom technischen Fortschritt unserer Eltern, Großeltern und früherer Vorfahren. Es ist für mich ein Stück Geschichte, für manch anderen vieleicht nur Schrott.

 Wir umlaufen das Gebäude und überqueren die Selke über die „Schöne Brücke“. Der Weg führt uns bergauf und bergab vorbei an herrlichen Felsformationen bis wir neben dem still fließendem Wasser der Selke wieder sind. Dieser Teil der Strecke bis hierher ist eigentlich viel zu schade um ihn schnell zu durchlaufen, denn hier ist Natur pur von seiner schönsten Seite. Da dies jedoch ein Wettkampf mit Zeitlimit ist kann ich nur kurz verweilen aber durch meine Kamera viele Eindrücke sammeln und zu Hause nach erleben.

 Vor dem nächsten Felsentunnel hängt an einem stabilen Ast eine Schaukel. Die muss natürlich benutzt werden, soviel Zeit muss sein, denn wir sind hier nicht auf der Flucht. Auch das Foto muss natürlich sein als Beweis der Schaukel.

 Wir kommen wieder an einer Versorgungsstation vorbei wo es sogar frischen Pflaumenkuchen gibt, herrlich. Es geht wieder bergauf in den Wald und vorbei am 1. bis 4. Hammer, den ehemaligen Hammerwerken des Carlswerkes, zur Selkemühle. Zwischen Km 12 und 13 gibt es eine weitere Versorgungsstation die leider nicht besetzt ist. „Selbstbedienung?“ oder müssen wir in den Waldbiergarten, ein Läuferbier wäre jetzt schon recht.

 Wir sind im Selketal angekommen und folgen der immer wieder an unsere Laufstrecke kommenden Selke. Wir sind im lieblichen Teil des Tales. Es geht unter einer Allee durch, neben uns Wiesen wo Kühe weiden und immer wieder kommt die Selke neben uns die hier zum Teil mäandermäßig geformt ist. Hier überholen mich die zwei schnellsten Damen vom Ultra die ganz locker laufen und sich unterhalten.

 Nach einem kurzen Stück Asphaltstraße kommen wir an das Familienhotel Thalmühle. Hier biegen wir ab auf einen schmalen Pfad neben der Selke. Oberhalb von uns thront die besterhaltene mittelalterliche Burganlage des Harzes, die Burg Falkenstein. Das erste deutsche Rechtsbuch wurde hier geschrieben von Eike von Repgow, der das bis dahin nur mündlich überlieferte Recht der Sachsen zwischen 1221 und 1235 aufgeschrieben hat im Sachsenspiegel. Um dahin zu kommen müssten wir die Laufstrecke verlassen und den Eselsstieg zur Burg benutzen.

 Wir folgen weiter der Selke und kommen kurz vor Meisdorf im Wald versteckt an der Begräbnisstätte (1834) der Grafen von der Asseburg Falkenstein vorbei. Kurz danach überqueren wir die L75 und werden in den gegenüberliegenden Park geschleust. Durch ein großes Eisentor betreten wir den Park von Schloss Meisdorf. Kurz hinter dem Teich werden wir gewarnt „Vorsicht, fliegende Golfbälle“.

 Das Schloss Meisdorf ist ein echtes Barockschloss aus dem 18. Jahrhundert und heute ein großes Parkhotel. Auf dem großen Parkgelände werden wir durch zwei Megaboxen am Versorgungsstand beschallt. Im Schloss wird gerade eine Hochzeit gefeiert. Schade die Braut ist jedoch nicht zusehen. Wir laufen an den historischen Gebäuden vorbei und verlassen durch das große schmiedeeiserne Haupttor die Anlage.

 Schräg gegenüber führt uns der Selke-Stieg über den Petersberger Trift vorbei am Golfplatz in den Wald. Wir haben die Hälfte hinter uns. Es zieht sich eine nicht enden wollende „flache Steigung“ durch den Wald hinauf. Am Rastplatz „Am Kohlenschacht“ wird der Blick frei und wir haben einen herrlichen Weitblick ins Harzer Vorland.

 Kurz darauf erreichen wir den nächsten Ort Ballenstedt. Über die Birnenallee an der Kleingartenanlage wo ich zwei Wanderer überhole geht es weiter bergauf. An der Apfelallee haben wir einen herrlichen Blick über den Ort ins Tal und die dahinter liegenden Sandsteinfelsen der Gegensteine, die östlichsten Ausläufer der Teufelsmauer. Nach einem leicht fallenden Stück Laufstrecke geht es wieder bergauf über die Bienenwiese wo heute ein Zirkus gastiert.

 Wir streifen den Ort nur und kommen nach einem kurzen Gefälle in den Schlosspark vom Schloss Ballenstedt. Am Schlossteich befindet sich eine weitere Versorgungsstation. Das dreiflügelig angelegte Barockschloss (18. Jahrhundert) wurde auf den Resten eines mittelalterlichen Klosters errichtet. In der Nikolai-Kapelle des Schlosses befindet sich das Grab von Albrecht I. von Brandenburg, genannt auch Albrecht der Bär oder Albrecht von Ballenstedt, aus dem Geschlecht der Askanier und seiner Frau Sophie. Bis 1918 war es Sommerresidenz und danach noch bis 1945 Wohnsitz der Herzöge von Anhalt-Dessau.

 Der Schlosspark der um 1858 vom Garten- und Landschaftsgestalter Peter Joseph Lenné umgestaltet wurde ist sehenswert, mit der terrassenförmig angelegten Hauptachse mit vier Wasserbecken und Fontänen in Anlehnung an italienische Terrassengärten. Von dem herrlichen Schlosspark sehen wir nur den westlichen Teil, der als Landschaftspark nach englischem Vorbild angelegt wurde. Wir verlassen den Park über die ansteigende Schlossparkallee vorbei an der ehemaligen Schlossmühle in dem heute ein Kunstatelier ist. Wer sich jetzt nicht mal umdreht verpasst den besten Blick auf das Schloss. Rechts neben der Allee sitzt geruhsam ein großer goldener Löwe der von hieraus das Schloss beobachtet. Wir verlassen den Park über die endlos lange wirkende Allee in den angrenzenden Harzwald.

 Wir kreuzen die B185 und tauchen wieder in den Wald ein. Bei ca. km 29 liegt unterhalb von unserer Laufstrecke die Roseburg. Nach romantischem Vorbild erbaute in den Jahren 1907 – 1921 der Theaterbaumeister der Kaiserzeit Bernhard Sehring (Staatstheater Cottbus, Theater des Westens Berlin, Stadttheater Bielefeld) die Roseburg die er mit seiner Familie als Sommersitz bewohnte. Der zur Roseburg gehörige große Park ist mit barocken Wasserspielen und Ziermauern verschönert worden. Der Pallas im Inneren der Burg ist nach venezianischem Vorbild mit Mosaiken ausgestaltet. Zu DDR Zeiten sowie nach der Wende verfiel die Burg langsam und wird erst jetzt wieder aufwendig restauriert.

 Wir bleiben oberhalb von Rieder im Wald und erreichen nach einem kurzen Bergabstück den Osterteich bei Gernrode. Hier am herrlich gelegenen Badesee im Wald ist die nächste Versorgungsstation. Wir umlaufen den See und es geht mal wieder bergauf. Ich höre noch die schnaubende Dampflokomotive im vorbeifahren. Wie ich jedoch die Schienen überquere ist nicht mehr zu sehen. Es geht weiter bergauf über die Osterhöhe und wir umlaufen den Ort südlich am Waldrand entlang. Hier oben steht die große Ruine des zu DDR Zeiten (1952) gebauten und genutztem FDGB-Ferienheim Fritz Heckert.

 Beim Blick ins Tal nach Gernrode sehen wir in der Stadtmitte einen zweitürmigen hellen Kirchenbau Es ist die Stiftskirche St. Cyriakus einer der am besten erhaltenen ottonischen Sakralbauten in Deutschland. Die 961 erstmals erwähnte Kirche ist eine kreuzförmige, doppelchörige, dreischiffige Basilika mit einem westlichen Turmpaar sowie einer östlichen und einer westlichen Krypta. Wir sind noch auf dem Weg der Ottonen zu ihrer Osterpfalz Quedlinburg.

 Bei km 35 im Hagental gibt es eine Wasserstation. Die netten Damen sagen „Es ist nicht mehr weit“ worauf ich antworte „Ich weiß noch knapp 7km“. Worauf sie sagten „Da am Teich (rostfarbenes Wasser) ist ein Schild 9km zum Ziel“. Worauf ich erwähne das mein Garmin 305 bereits bei Km 37,3 ist. Das haben andere auch schon gesagt ist die Antwort. Na was soll es ins Ziel müssen heute alle.

 Hinter dem Teich geht es mal wieder bergauf. Wir umlaufen den Ort am Waldrand parallel zum Panoramaweg weiter in westliche Richtung. Wir tauchen wieder in den Wald ein. Es geht bergab und wir kommen auf einen eingesäumten Waldweg. Der gehört schon zum Park von Bad Suderorde.

 Nach ca. einem Kilometer tauchen wir aus dem Wald raus und uns öffnet sich die alte Kurstadt. Links von uns liegt der Behringer Brunnentempel der zu den stärksten Calciumquellen Europas zählt. Wir durchlaufen den Ort abwärts und bewundern das weitestgehend geschlossen gehaltene Ensemble von Gründerzeithäusern im sogenannten Bad Suderöder Pensionshausstil. An den Badebetrieb um 1900 erinnern die meist traufseitig angebauten Veranden und Balkone mit den filigranen Verzierungen. Es ist ein wunderschöner Anblick. Im Ort auf dem Bleicheplatz gibt es eine Versorgungstation wo jeder Teilnehmer mit Namen und Heimatort vorgestellt wird. Hier sind auch zwei nette Namen die uns in ihrer Tracht die Getränke zureichen.

 Wir durchqueren Bad Suderode auf kleinen Straßen parallel zur L 239, überqueren dabei die Bahnstrecke der Selketalbahn und verlassen den Ort an der Bückemühle. Wir laufen neben dem Quarmbach entlang. Meine Uhr zeigt 41,7km und ich denke mir nach 500 Metern hätte ich den Marathon geschafft, da steht in großen Zahlen auf dem Asphalt noch 4,5 km. Ich rechne nach 41,7 + 4,5 ist 46,2 hatten die Damen im Hagental doch recht. Aber warum sagt der Veranstalter nicht das der Ultra 71km und der Marathon 46 km lang sind. Das haben doch im letzten Jahr die Läufer auch schon festgestellt.

 Wir sind auf einem Wirtschaftsweg und die Sonne zeigt uns das noch Sommer ist. Links des Weges liegen Schrebergärten, weiter rechts ein ländliches Anwesen und es geht weiter durch die Sonne. Wir sind vom Ortsende Bad Suderode ca. 1,5 km entfernt und kommen an eine Furt neben der Dreibogenbrücke. Nein wir müssen nicht durchs Wasser hinter der Brücke führt ein Steg auf dem wir auf die andere Seite des Quarmbachs wechseln. Wir folgen weiter dem Selketal-Stieg über den Radweg Richtung Quedlinburg. In der Entfernung sehe ich die ersten Plattenbauten und denke das ist der Stadtrand von Quedlinburg, nein es ist ein Ortsteil von Quedlinburg, Quarmbeck.

 Dort wo der Selketal-Stieg auf die Landstraße trifft ist ein weiterer Versorgungsposten. Hier müssen wir alleine die stark befahrene L 239 überqueren. Der Selketel-Stieg verläuft jetzt auch auf dem Radweg Richtung Quedlinburg dem wir folgen. Wir haben Sonne pur und freien Blick zum Brocken. Auf dem Asphalt steht „Letzter Berg“ und kurz danach „noch 2km“. Kurz danach schaue ich auf meine Uhr und fotografiere die Streckenlänge (44,03km) aber noch kein Ziel in Sicht. Es geht weiter der Suderröder Chaussee (L 239) entlang. Aus dem vorbeifahrenden Veranstalterbus wird mir zugerufen „Nur noch 2km zum Ziel“. Am Ortseingang geht es um den Kreisel und wir müssen nochmal die stark befahrene Landstraße allein überqueren.

 Es geht vorbei am Willkommensschild der Stadt Quedlinburg. Links bekommen wir die Osterpfalz der drei liudolfingischen Kaiser Otto I, Otto II und Otto III. zu sehen. Der Schlossberg mit Stiftskirche St. Servatii und Stiftsgebäuden überragt die Stadt. Rechts neben der Gernröder Straße an der wir entlang laufen sehe ich durch den Zaun den Sportplatz „Moorberg“ unser Ziel. Es geht vorbei am Stadion und rechts ab hinein. Jetzt lässt man uns noch 300 Metern auf der neuen Tartanbahn laufen. Nach 46,1km erreiche ich erschöpft aber glücklich das Ziel.

 Im Ziel gibt es eine Teilnehmerurkunde und eine Duschgelprobe sowie eine Versorgung mit Wasser, Iso, Tee, Kuchen und Rosinen. Ich gehe duschen die leider eiskalt sind und esse und trinke dann noch etwas im Zielbereich.

 Nach kurzer Wartezeit ist der nächste Shuttlebus da, der uns wohlbehalten zurück nach Alexisbad bringt. Wer noch Zeit hat sollte sich allerdings die auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes Stadt Quedlinburg anschauen. Zu bestaunen sind in der historischen Altstadt über 1.200 Fachwerkhäuser aus sechs Jahrhunderten. Sehenswert ist das Schloss mit Stiftskirche St. Servatius sowie die gotischen Kirchen St. Aegidii, St. Nikolai und St. Blasii sowie auch das Steinerne Rathaus mit Rolandstatue u.v.m. Es gibt in dieser Stadt noch viele historische und kulturelle Sehenswürdigkeiten zu entdecken und zu erleben.

 Nach Auswertung der Daten meiner Laufuhr stelle ich fest das der Lauf ca. 3000 Kalorien verbrannt hat und die kumulierten Höhenmeter vergleichbar sind mit dem Monschau- oder Rursee-Marathon.

 Fazit: Der Marathon ist nicht zu unterschätzen er ist sehr anspruchsvoll aber wunderschön. Der laufend wechselnde Untergrund mit immer auf und ab schlaucht schon. Die Streckenführung ist einmalig schön und das alles für ein kleines Startgeld von 25€ für den Supermarathon und nur 15€ für den Marathon. Die Strecke ist bestens markiert und es gibt ausreichende Versorgungstellen. Die Gegend hat einen hohen Freizeitwert und so manche Ecke sollte man nochmal und sich dann ausführlicher ansehen. Wo sieht man sonst noch eine echte Dampflokomotive? Durch die unterschiedlichen Startzeiten gibt es keinerlei Überholprobleme. Die explodierenden Teilnehmerzahlen die unser Joe Kelbel voraus gesagt hat ist leider nicht eingetreten, was für mich nicht nachvollziehbar ist. Hier bekomme ich für wenig Geld eine ganz tolle Laufveranstaltung und herrliche Gegend geboten. Ich erwähne nochmal: Geheimtipp. Unbedingt vormerken für 2011!