Durchs Kochertal zwischen Künzelsau und Sindringen
13.09.2015 von Bernd Neumann
Mein Lauffreund Klaus Egedesø aus Dänemark schrieb mich an, das der ebm-papst Marathon für die ersten 200 Marathonläufer einen kostenlosen Start vergibt. Da dieser Lauf noch in meiner Sammlung fehlt habe ich mich schnell angemeldet und die Start Nr. 20 erhalten. Nun ist es soweit und es geht nach Niedernhall.
Rund 4.000 Einwohner hat die „Kleine Stadt mit großem Charm“ im Nordosten von Baden Württemberg. Dazu gehören auch noch die Weiler Giebelhöfe und Hermersberg sowie die Wohnplätze Sattelhof und Waldzimmern. Niedernhall hat einen historischen Stadtkern der schon seit über 30 Jahren unter Denkmalschutz steht. Aus dem 13. und 14. Jh. gibt es noch die historische Stadtmauer mit Wehrgang sowie Türmen und dem Salztor zu bestaunen. Sehenswert sind auch noch die aus dem 13. Jh. stammende Laurentiuskirche und das Rathaus.
Schon 1037 wurde der Ort als hala inferniori erstmals urkundlich erwähnt. Seinen heutigen Namen verdankt es einer Salzquelle. Die Saline die Ende des 15. Jh. erbaut wurde hielt nur rund 100 Jahre. Durch verbesserte Techniken wurde sie jedoch wiederbelebt bis sie zu Beginn des 19. Jh. ihren Betrieb einstellte. Heute lebt ein Teil der Bevölkerung vom Weinbau, wobei jedoch der größte Teil der Rebflächen zur Weinkellerei Hohenlohe gehören.
Der Namensgeber dieser Veranstaltung ist den meisten wohl kein Begriff obwohl jeder mit den Produkten von ebm-papst fast täglich in Berührung kommt. Die mit über 11.000 Mitarbeitern große Firma stellt Motoren und Ventilatoren für die Industrie her. Verwendung finden diese in Kühlschränken, Haushaltsgeräten, Dunstabzugshauben, Computern und vielen anderen Bereichen der Luft-, Klima- und Kältetechnik. Toll, dass sich dieser Industriebetrieb schon seit 1999 hier stark engagiert und somit eine schöne Veranstaltung am Leben hält.
Ich bin mal wieder mit meinem Lauffreund Dieter unterwegs. Wir reisen erst am Morgen an und finden auf der anderen Seite der Kocher einen Parkplatz. Von hier aus sind es nur wenige Gehminuten bis zum Sportzentrum wo sich Start- und Ziel sowie die große Sporthalle befinden. Die Startunterlagen haben wir schnell erhalten und sogar ein Funktions-Shirt gab es dabei.
Dann hieß es umziehen Taschen abgeben und mal schau‘n was hier alles so los ist. Und hier ist viel los. Gegenüber auf einer großen wiese ist ein richtiges Festzelt mit vielen Imbisswagen und kindervergnügen aufgebaut. Hier wird nicht nur der Marathon stattfinden sondern ein riesiges Läuferfest gefeiert. Neben dem Marathon gibt es auch noch viele andere Läufe wie, Duo-Marathon 27 + 15 km, Halbmarathon, 10km Lauf, Inline-Lauf, Handbike, Mini-Marathon 4,2km, Mini-Halbmarathon 2,1km, Mini 10er, Bambini-Marathon 420m, Nordic Walking 7 oder 12km.
Hier treffe ich auch den Verrückten Marathon Dänen meinen Lauffreund Klaus sowie die M4y Reporterin Birgit Fender mit Mann. Noch schnell ein paar Fotos vor dem Start.
Wir stehen schon alle im Startblock und werden plötzlich an die Seite gebeten, denn eine Blaskapelle marschiert laut musizierend mitten durch das Läuferfeld. Dann um 8:30 Uhr werden wir mit den Duo-Marathonläufern auf die Strecke geschickt.
Ich starte weit vorn und bleibe hinter dem Startbogen stehen um viele Teilnehmer aufs Foto zu bekommen. Damit bin ich jedoch schnell ganz hinten und laufe dem Feld hinterher.
Von der Sporthalle geht es ein Stück geradeaus und dann leicht aufwärts am Forellenbach entlang. Über die Gerberstraße kommen wir an den alten Ortskern. Über die Hauptstraße geht es durch den Ort wo ich Klaus und Dieter wieder eingeholt habe.
Kurz vor der Brücke über die Kocher sind Leute im Freien am Frühstücken. Die Bedienung ruft ob jemand ein Glas Prosecco will. Da fragt er gerade den Richtigen, denn ich renne hin trinke den Prosecco und ab weiter über die Brücke. Auf der anderen Seite folgen wir nun ein Stück aufwärts der Kocher in Richtung Weißbach. Da wir heute Morgen schon sehr früh gestartet sind ist es noch recht frisch aber die Sonne wird uns heute noch gehörig einheizen
Am Ortseingang bei ca. 3,5 km gibt es die erste Wasserstation wo alle schon zugreifen obwohl das Wasser jetzt noch sehr kalt ist. Deshalb vorsichtig mit dem Trinken sonst kann es zu Magenverstimmungen und Übelkeit kommen. Im Ort werden wir dann von einer Trommlergruppe angefeuert.
Es geht weiter über die abgesperrte Landstraße immer neben der Kocher entlang. Die Straße folgt hier den Schleifen des Flusses zum nächsten Ort Forchtenberg. Wir laufen auf der L 1045 durch den Ort. Der schönere alte Stadtteil liegt auf der anderen Seite des Flusses Kocher wo wir auf unserem Rückweg nach Niedernhall durchlaufen werden. Am Orteingang werden wir von einer Gruppe junger Mädels mit ihren Puscheln angefeuert.
Am Ortsende laufen wir an den ersten Weinbergen vorbei. Kurz danach sind die ersten 5km geschafft. Wir folgen weiter der Landstraße die jetzt die Kocher kreuzt.
Vor mir laufen Kuno und Claudia. Claudia ist sehr genervt und motzt ihren Mann ganz schön an. Der behält die Nerven und bringt seine Frau heute gut über die Marathonstrecke.
Nachdem Claudia genervt ihren Power-Riegel bekommen hat höre ich von weitem Dudelsackklänge. Wunderschön in dieser herrlichen Landschaft. Dann sehe ich die zwei Spieler die uns Läufern auf der Straße entgegen marschieren. Supertoll und besser wie jede andere Musik für mich.
Wir erreichen Ernsbach einen Stadtteil von Forchtenberg. Am Ortsanfang biegen wir ab von der Landstraße und laufen auf einer Nebenstraße in den Ort hierbei unterqueren wir die L 1045 und kommen über die Kocher in den alten Ortsteil.
Dieser kleine unscheinbare Ort hat eine alte Geschichte, denn hier entstanden schon Siedlungen in keltischer, alemannischer und fränkischer Zeit. Schon im 14. Jh. gab es hier eine herrschaftliche Mühle der Grafen von Hohenlohe. Mitte des 17. Jh. entstanden neben der wieder aufgebauten Mühle auch eine Mahlmühle, eine Papiermühle, eine Hammerschmiede, eine Pfannenschmiede, eine Nagelschmiede und eine Seifensiederei. Daher gilt dieser Ort als erster Industrieort in Hohenlohe.
Kurz hinter der Brücke gibt es wieder Versorgung. Wir folgen der Straße zum Ortszentrum wo sich eine weitere Trommlergruppe befindet.
Wir biegen nach links in die Karl-Arnold-Straße die ein wenig nach oben führt. Ab hier beginnt eine Extra-Schleife nur für uns Marathonis. Die Halbmarathonis die rund 40 Minuten nach uns gestartet sind werden im Ort nach rechts abbiegen.
Auf Höhe der Grundschule geht es links leicht runter am Umformwerk Arnold vorbei. Dann weiter vorbei am Klärwerk wo die Straße endet. Ab hier folgen wir nun einem Fuß- und Radweg durch gründe Felder in Richtung Sindringen. Hier kommen mir nun schon viele Läufer und Läuferinnen entgegen die die Schleife schon hinter sich haben.
Wir erreichen Sindringen und am Ortsrand gibt es wieder Versorgung. Wir laufen jetzt noch ein Stück weiter auf dem Fußweg wo mir jetzt mein Lauffreund Dieter und kurz danach auch Birgit und Klaus entgegen kommen. Auch sie stöhnen über die enorme Wärme.
Die Wende ist durch eine Beach-Flagge gekennzeichnet die umlaufen werden muss. Dabei laufen wir über die Messmatten von Mika-Timing die heute die Zeitnahme für die Läufe machen.
Dann geht es auch den Rückweg. Bei Km 15 erreichen wir wieder den Ortsrand von Ernsbach. Es geht über eine kleine Welle und schon sind wir wieder im Ort. Für uns heißt es jetzt geradeaus den noch langsamen Halbmarathonis folgen.
Wir laufen durch Ernsbach und verlassen ihn über einen Wirtschaftsweg der uns neben der Kocher entlang führt. Hinter einer Kuppe treffen wir auch die Dudelsackbläser wieder. Während er ein Päusschen macht spielt sie unentwegt weiter auch für uns die letzten Läufer.
Der Wirtschaftsweg führt uns an den Weinbergen entlang. Es sind auch schon schöne dicke dunkle Trauben an den Stämmen zu erkennen. Ein Stück weiter steht wieder die Versorgung und die Trommelgruppe vom Hinweg.
Hier kreuzen wir jetzt die Landstraße und laufen in einer Schleife zurück zur Brücke über die Kocher. Jetzt haben wir den alten Ort von Forchtenberg direkt vor uns.
Wir laufen direkt auf das Würzburger Tor zu in dem sich noch ein Hohenlohe-Wappen befindet. Links und rechts des Tores ist ein Teil der Stadtmauer mit Wehrgängen und Türmen erhalten worden. Die mittelalterliche Altstadt hat viel denkmalgeschützte Häuser. Der innere Stadtkern steht als Gesamtanlage unter Denkmalschutz. Interessant ist auch das alte Rathaus in dem Sophie Scholl geboren wurde. Ein Stück oberhalb auf einem Bergsporn ist die Ruine Forchtenberg.
Wir bleiben jedoch neben der Kocher der wir weiter folgen zurück in Richtung Niedernhall. Der nächste Ort ist Weißenbach wo wir am Bikerbahnhof vorbei laufen.
Dann geht es ein Stück durchs Industriegebiet wo mir ein Firmenschild auffällt das ich auch gleich knipsen muss. Ich muss schmunzeln wie ich „Bernd Spazierer“ lese. Passt gerade, denn auch ich bin gerade am Spazierengehen. Ein Stück weiter folgt der alte Bahnhof wo es Trommelmusik und Versorgung gibt.
Wie ein Passant sieht, dass ich laufend am Fotografieren bin fragt er ob ich auch ein Foto von mir wolle. Ja, ok aber will erst ein Stück zurückgehen damit er mich auch im Laufen fotografieren kann. Gesagt, getan und so habe ich auch ein Foto von der Laufstrecke. Ich habe leider vergessen den Bauch einzuziehen damit das Foto sportlicher aussieht.
Es geht weiter immer an der Kocher entlang. An einem engen unübersichtlichen Stück gibt es sogar ein Hinweisschild „Vorsicht gefährliche Kurve“. Weiter geht es auf dem Rad weg gen Niedernhall.
Am Kleintierzuchtverein von Niedernhall gibt es nochmal Versorgung. Die Musikkapelle hat ihre Instrumente zur Seite gelegt und ist fleißig am Feiern. Schade das immer die letzten keine Musik mehr bekommen. Dann beginnt auch schon der Ortsrand von Niedernhall. Kurz vorm Ort ist der 26. Kilometer geschafft, also nur noch 16 km. Wir umrunden den Ort östlich und kommen wieder zum Sportplatz wo wir gestartet sind.
Wir laufen jetzt zwar durch den Zielbogen aber unsere Mission Marathon ist noch nicht zu Ende, denn wir haben erst 27 km geschafft. Also kurz die Zuschauer und Anfeuerungsrufe genießen und dann auf der anderen Seite weiter.
Wir laufen am Freibad und Solebad vorbei in Richtung Industriegebiet Criesbach. Noch vor dem Ortsschild von Ingelfingen werden wir von einer Trommlergruppe empfangen. Aber sie spielen keine afrikanischen Rhythmen sondern deutsche Volkslieder. So was habe ich noch nie gehört und bin ganz perplex.
Am Ende des Industriegebietes biegen wir ab auf die Kocherbrücke an deren Ende noch ein schönes altes Zollhaus steht. Kurz hinter der Brücke geht es gleich scharf rechts runter und nach rund 200m über eine kleine Brücke über den EVS-Kanal. Unsere Laufstrecke führt jetzt zwischen Kocher und EVS-Kanal nach Künzelsau. Unterwegs treffe ich Klaus der schon auf dem Heimweg zum Ziel ist.
Klaus sagt mir noch, dass Dieter Krämpfe hat und am Sani-Fahrzeug behandelt wird. Nun geht es lange an einem Einkaufspark entlang und weiter durch Felder bis wir an den Stadtrand von Künzelsau kommen. Die heutige 15.000 Einwohnerstadt wurden schon 1908 erstmals als „Conzles-Aue“ erwähnt.
Kurz danach geht es über eine Fußgängerbrücke und wir sind in einem großen Park. Vor uns thront das riesige rote Schloss Bartenau. Das frühere hohenlohische Residenzschloss wird heute als Bildungsanstalt (Gymnasium mit Internat) genutzt. Um 1678 wurde der Vorgängerbau ein Wasserschloss abgebrochen und durch Graf Johann Ludwig von Hohenlohe dieser Prachtbau errichtet.
Kurz vorm Schloss bei Km 35 hole ich Dieter ein. Er kann nur noch sporadisch laufen, denn seine Krämpfe kommen immer wieder. So laufen wieder die nächsten Kilometer immer wieder zusammen. Wir verlassen Künzelsau wieder am EVS-Kanal entlang und kreuzen die Kocher zum letzten Mal in Ingelfingen.