Auf dem Röntgenweg durchs herbstliche Bergische Land
25.10.2015 von Bernd Neumann
Nach 2013 ist dies mein 2. Besuch im Bergischen Land auf dem Röntgenweg. Nach gut 2 Stunden Anfahrt erreichen wir, Dieter und ich das Sportzentrum Hackenberg in Remscheid-Lennep. In der Sporthalle ist heute Morgen schon viel Betrieb, aber es wird alles routiniert erledigt. Das Team hat ja auch schon 14 Jahre Erfahrung.
Es werden heute 14 verschiedene Strecken angeboten, die zwischen 400 m für die Bambinis und 100 km für die erfahrenen Ultraläufer sind. Für Dieter und mich heißt es Marathon 42,2 km. Hier liegt das Startgeld zwischen 33 € und 43 € je nach Anmeldedatum. Im Startgeld ist auch das Röntgenlauf Funktions-Shirt erhalten. Da wir Marathonis nicht wieder am Startplatz ankommen erhalten wir einen Taschentransport zu unserem Ziel und wir werden auch wieder zurück ins Ziel zur Sporthalle gefahren.
Hier beim Röntgenlauf gibt es das besondere Angebot sich auf der Strecke zu entscheiden, will ich länger oder kürzer laufen. Ich kann so zum Beispiel für Marathon melden und wenn ich mich gut fühle auf Ultra erhöhen oder wenn ich mich schlecht fühle bei Halbmarathon aussteigen. Es kommt jedoch nur der in die offizielle Wertung wie er gemeldet hat. Alle anderen erhalten in einer Extraliste ihre gelaufene Nettozeit ohne Platzierung.
Der Startplatz liegt direkt neben dem Sportzentrum Hackenberg in Lennep. Lennep ist ein Stadtteil von Remscheid mit ca. 25.000 Einwohnern. Diese ehemalige Hansestadt besitzt eine mittelalterliche Altstadt mit vielen Gebäuden im sogenannten bergischen Barock. Am Bach Linepe (heute Lennepe) gab es schon vor 5000 Jahren menschliche Siedlungen. Die Anfänge der Stadt liegen jedoch im 12. Jahrhundert. Vor rund 760 Jahren gehörte sie damit zu den ältesten Städten im Bergischen Land. Der Grundriss der Stadt zeigt einen nahezu kreisförmigen Rundling, der durch die Handelsstraße Köln Magdeburg durchzogen wird. Die wohl interessantesten Sehenswürdigkeiten sind das Tuch-Museum sowie das Deutsche Röntgen-Museum und der mittelalterliche Stadtkern mit seinen vielen gut erhaltenen bzw. restaurierten altbergischen Gebäuden aus Fachwerk und Schiefer. Für viele Ausflügler sind auch die Wuppertalsperre und die Panzertalsperre ein Refugium für Erholung.
Auch heute Morgen treffe ich wieder Läufer, mit denen ich schon so manchen Marathon gelaufen bin. Es ist immer wieder herzlich und nett sich auszutauschen. Das Wetter für heute sagt uns leider keinen Sonnenschein voraus, denn so hätten wir die herrliche Strecke im Altweibersommer besser genießen können. Die Temperaturen sind um die 11 Grad und eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit mit viel Dunst.
Während sich einige Läufer warmlaufen lauschen andere dem Pfarrer zu seiner Morgenandacht, andere wiederum unterhalten sich ganz angeregt. Dann heißt es Achtung Startschuss und das Feld von rund 2000 Läufern (Halbmarathon, Marathon und Ultra 63,3 km) setzt sich langsam in Bewegung.
Kurz nach dem Start geht es im Zickzack im Stadtteil Hackenberg hoch und dann abwärts in den alten Ortskern von Lennep. Direkt am Röntgen Museum biegen wir ab und laufen eine Schleife über die Granit gepflasterten Straßen und Gassen. Über eine Gasse ist eine Leine mit allen 15 Röntgenlauf-Shirts gespannt. Hier sind wir richtig und auch herzlich willkommen.
Im Ort ist die typische bergische Bautradition zu sehen, schwarzes Ständerwerk mit weißen Fernstern und Türen sowie gekalkten Gefachen und grünen Fensterläden. Ganz typisch ist das beim Deutschen-Röntgen-Museum zu sehen an dem wir vorbeilaufen. Der Namensgeber dieser Veranstaltung der Physiker Wilhelm-Conrad Röntgen erhielt durch seine Erforschung der Röntgenstrahlen als erster 1901 den Nobelpreis für Physik. Er veröffentliche 60 wissenschaftliche Arbeiten wobei die Entdeckung der X-Strahlen bis in die heutige Zeit die medizinische Diagnostik revolutionierte. Heute werden seine Röntgenstrahlen nicht nur beim Menschen eingesetzt, sondern auch beim Durchleuchten von LKW’s oder bei Materialprüfungen.
Am Ende der Schleife befindet sich das Röntgen Museum. Hier werden auf 2100 m² Fläche eine große Sammlung von persönlichen Dingen von Wilhelm-Conrad Röntgen sowie eine Zeitreise von der Entdeckung bis in die heutige Zeit der X-Strahlen gezeigt. Im Museum ist auch eine gläserne Frau, ein lebensgroßes dreidimensionales Modell aus dem Kunststoff Cellon, das wie Glas wirkt, bei der das Haut- und Muskelgewebe durchsichtig ist. Dieses Bild war wohl auch das Vorbild für die laufende Person auf unseren Lauf-Shirts.
Neben Wilhelm-Conrad Röntgen sollte man auch Elisabeth Dicke aus Remscheid erwähnen. Kennt ihr nicht? Sie war es die in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die Bindegewebsmassage begründete. Diese manuelle Reiztherapie die auch heute noch bei Erkrankungen des Bewegungsapparates, der inneren Organe, Gefäßerkrankungen oder auch neurologischen Störungen eingesetzt wird. Es wird hierbei eine nervös-reflektorische Reaktion auf die inneren Organe ausgelöst.
Es geht zurück nach Hackenberg und über eine kleine Wohnsiedlung verlassen wir den Ort. Am Ortsende stehen auf einem Balkon Anwohner und rufen und trommeln uns lautstark zu, wie jedes Jahr. Kurz davor haben wir schon die ersten 5 km geschafft. Jetzt geht es raus in die dunstige Landschaft und länger abwärts in den Wald. Nach runter geht es wieder rauf in eine kleine Ansiedlung, wo sich auch der erste Versorgungspunkt befindet.
Schon auf dem ersten sechstel unserer Reise merken wir warum das Bergische Land ein bergiges Land ist. Die gesamte Strecke sind drei Halbmarathons am Stück, von denen ich heute zwei laufen werde. Auf dem ersten Drittel sind es lt. Profil + 265 HM und – 420 HM. Hierbei ist immer der tiefste zum nächst höchsten Punkt gerechnet. Es kommen aber immer noch sehr viele Wellen dazu, die man auf dem ersten Drittel noch nicht merkt, da man ja noch nicht lange unterwegs ist.
Hinter den Häusern geht es ein Stück übers freie Feld und abwärts über einen sehr rutschigen Matschweg in den Wald. Auf dem Bergabstück kommen viele ins Rutschen und manche sehen aus als, wenn sie tanzen würden. Lieber nicht lästern sonst haut es einen meist selbst um.
Die Strecke ist super gekennzeichnet durch die gelben Pfeile an Bäumen und auf dem Boden. Ein Verlaufen ist hier nicht möglich. Überall wo der Weg abbiegt, ist noch zusätzlich Trassierband gespannt, das man dem richtigen Weg folgen muss.
Hinterm Wald am Ortsschild Remscheid biegen wir ab es geht aufwärts zur Garschager Heide. Vorbei am alten Wasserturm von 1914 geht es wieder in den Wald. An der Autobahnbrücke über die A1 haben wir die ersten 10 km geschafft.
Über freie Felder mit dickem Dunst erreichen wir Lüttringhausen den nördlichsten Stadtteil von Remscheid. Dass der Ort schon eine sehr alte Vergangenheit hat, erkennt man aus der Endung –inghausen. Hieraus lässt sich eine Besiedlung im 9. bzw. 10. Jh. schließen die schon zu Karls Sachsenkriegen unter sächsischer Herrschaft standen.
Es geht ein kurzes Stück durch den Ort, Versorgung und dann wieder ab in den Wald. Vor mir läuft ein Pärchen, mit leuchtend gelben Shirts auf denen steht „Wenn du das lesen kannst bin ICH schneller als DU!“. Auf einem anderen Shirt steht „Gekotzt wir erst im Ziel“.
Dann nach einer weiteren Abwärtsstück überqueren wir den Leyerbach und werden auf der Straße von einer Trommlergruppe empfangen. Kurz danach biegen wir auf einen Weg ab wo ein Schild vor Läufern warnt.
Kurz vor Km 15 gibt es wieder Versorgung. Jetzt benötigen wir Nahrungsaufnahme vor dem nächsten längeren Anstieg. Über eine Hohle Gasse geht es aufwärts und dann weiter am Waldrand entlang. Nach hoch kommt wieder runter über ein längeres Stück.
Nach der Erholung geht es über eine Asphaltstraße bei Km 18. Hier ist nun der Spaß vorbei, denn es geht länger rutschig aufwärts zu den Prosecco-Schwestern. Heute werden sie auch durch Prosecco-Brüder ergänzt. Ein Schlückchen Sprudelwein und weiter durch den Wald.