Auf der Strecke vom beliebtesten Marathon Europas
9. Mai 2015 von Bernd Neumann
Zwanzig Marathons später könnte es auch heißen, denn seit letztem Jahr Rennsteig habe ich 20 weitere Marathons rund um die Welt gesammelt. Nun bin ich wieder hier und das schon zum 3. Mal. Verfalle ich auch langsam dem Rennsteigfieber? Der Guts Muths Rennsteiglauf hat ja neben dem Laufen auch noch ganz andere Anziehungspunkte wie z. B. das Superzeltfest am Abend nach dem Lauf. Ich weiß noch wie die Super-Marathonis die halbe Nacht auf den Tischen getanzt haben. Meinen Respekt haben sie heute noch. Ob ich das wohl auch noch schaffen werde?
Es ist der 14. April ich bekomme die Startkarte und merke ich, verdammt habe noch kein Quartier. Jetzt noch eins zu bekommen ist Lotteriespiel, denn die Zimmer werden meist schon für das nächste Jahr im Voraus von den Läufern wieder gebucht. Bei meinem jetzigen Verletzungspech müsste jetzt doch mal das Glück sich melden. Und es kommt auch, ein Quartier in Stützerbach nur wenige Autominuten vom Ziel entfernt.
Wie auch schon im letzten Jahr, werden wir auf dem Hinweg am Freitag noch eine Runde machen, um auf dem Weg uns noch ein schönes Stück Thüringen anzusehen. Meine Idee ist Gotha mit dem Schloss Friedenstein und den in Thüringen einmaligen Wasserkunst.
Wir fahren die Landstraße entlang über Eisenach und erreichen Gotha über Trügleben. Von dort fahren wir direkt auf die Puschkinalle und befinden uns zwischen dem Schloss und dem Herzoglichen Museum für Regionalgeschichte. Hier kann man sogar noch kostenlos parken.
Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha (Ernst der Fromme) erhielt bei einer Erbteilung Gotha. Als seine Hauptstadt für sein neues Herzogtum wollte er auch eine entsprechende Residenz und so ließ er Schloss Friedenstein erbauen. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde nach Plänen des Architekten Caspar Vogel dieser Prachtbau erbaut. Heute befinden sich viele Kunstsammlungen in den verschiedenen Flügeln. Herzog Ernst der Fromme führte schon damals die Schulpflicht für fünf- bis zwölfjährige Kinder ein und nahm damit eine Vorreiterrolle in Deutschland ein.
Auf der Rückseite des Schlosses geht man runter zur Stadt. Hier befindet sich die Wasserkunst, die jedes Jahr zum Gothardusfest eröffnet wird. Hier wird Wasser von einem Zweigkanal der Leina bis zum Schloss hochgepumpt. Zwischen dem Schloss und dem Rathaus läuft Wasser über mehrere Ebenen durch verzierte Röhren 100 m lang runter zum Hauptmarkt.
Unterhalb der Wasserkunst beginnt der Hauptmarkt. Das alte Rathaus teilt den Markt in Oberen und Unteren Hauptmarkt. Oberhalb des Rathauses findet noch immer der Markt statt. Da wir jedoch zu spät sind sehen wir nur noch wenige Markthändler.
Dieser historische Renaissancebau wurde Mitte des 16. Jh. auf die Stelle eines ehemaligen Kaufhauses aus Holz errichtet. Dieses neue massive Kaufhaus wurde vermutlich seit Mitte des 17. Jahrhunderts als Verwaltungsgebäude genutzt. Herzog Ernst der Fromme ließ das Gebäude für Wohnzwecke umbauen und wohnte auch eine Zeit hier. In dieser Zeit wurde es „Fürstliches Residenz-Gebäude“ genannt. Nach seinem Auszug hieß es wieder „Kauff-Haus“.
Das sich auf der Nordseite befindliche Portal gehört zu den schönsten deutschen Renaissanceportalen. Die beiden Zwickelreliefs wurden erst 1574 dem Gebäude zugefügt. Viele Schmuckelemente und Inschriften verzieren dieses wunderschöne Gebäude. Es gibt eine Kopfskulptur, die einen beweglichen Unterkiefer hat die, nach dem Volksglauben dem hingerichteten Ritter Wilhelm von Grumbach gehören soll.
Unterhalb des Rathauses führt die Marktstraße (Fußgängerzone) zum Neumarkt. Hier steht die evangelische Margaretenkirche. Diese spätgotische Hallenkirche wurde erst 1494 auf die Grundmauern einer romanischen Basilika schrittweise erbaut. Bereits 1522 wurde hier das Evangelium gepredigt und so begann hier schon sehr früh die Reformation. Die Kirche wurde dann durch Hungersnöte, Pest und Bränden dem Verfall freigegeben. Erst Herzog Ernst der Fromme ließ Mitte des 17. Jh. die Kirche wieder aufbauen.
Vom Hauptmarkt ausgehend gibt es viele sehr schön und liebevoll restaurierte Bürgerhäuser sowie auch Patrizier- und Kaufhäuser. Es sind aber auch nach der Wende viele historische Gebäude schon so stark am Zerfallen, dass sie nicht mehr gerettet werden konnten. Betroffen war auch eine ganze Häuserzeile am Brühl einer Seitengasse vom Hauptmarkt. Darunter waren auch ein Renaissancebau sowie vier Häuser aus dem 16. – 18. Jh. und das älteste Haus von Gotha.
Zwischen Neumarkt und Wasserkunst liegt der Buttermarkt von Gotha. Hier wurden früher Butter und andere Viktualien (Lebensmittel) gehandelt.
Auf der anderen Seite der Wasserkunst befindet sich das Augustinerkloster. Es ist mit seiner 750-jährigen Geschichte die älteste Niederlassung von Augustinermönchen im Thüringer Land. Die Kirche die wir besichtigen ist ein Neubau aus dem Ende des 17. Jahrhunderts. Die Anfänge der Kirche und des Klosters stammen aus dem 13. Jahrhundert. Wunderschön ist die Fürstenloge sowie die Kanzel und die Orgel.
Nach unserer Besichtigungstour durch Gotha ging es über Landstraßen in den Thüringer Wald, genauer gesagt nach Stützerbach einem kleinen Ort am Rennsteig. Hier treffen wir uns noch mit Günter und Anita sowie deren Tochter Ivette.
Da es morgen früh rausgeht heißt es heute früh schlafen gehen. Der Wecker ruft mich um 5:30 Uhr aus meinem Schlaf. Schlecht geschlafen aber was soll‘s jetzt heißt es aufstehen und frühstücken. Dann ab nach Schmiedefeld wo schon Hunderte auf den Bus zum Start nach Neuhaus warten. 7 € zahlen und gemütlich nach Neuhaus fahren.
Hier ist schon richtig was los, denn rund 3.000 wollen heute von Neuhaus nach Schmiedefeld über den Rennsteig laufen. In der GutsMuths-Halle wird gefrühstückt, eingecremt, umgezogen und viel unterhalten. Jeder bereitet sich auf seine ganz eigene Weise auf den bevorstehenden Lauf vor.
Hier treffe ich wieder viele Marathonis die ich schon seit Jahren kenne. Auch mein Lauffreund Günter aus Collm ist da. Er wird heute mit seiner Tochter Yvette laufen. Die sind mir heute viel zu schnell, denn ich musste meinem Physiotherapeuten versprechen heute ein Drittel zu laufen und zwei Drittel zu marschieren damit die Zerrung nicht wieder aufbricht.
Eine halbe Stunde vorm Start ziehen sich große Läuferschlangen in Richtung Sportplatz. Daneben stehen die großen LKW’s wo wir unsere Kleiderbeutel abgeben, die uns ins Ziel nach Schmiedefeld gebracht werden.
Auf dem Sportplatz steht wie immer eine große Bühne, von der die Läufer mit Blasmusik beschallt werden. Hans-Peter Müller heizt die Stimmung noch zusätzlich an und bedankt sich immer wieder, dass die Rennsteigläufer den Rennsteig-Marathon 2014 zur Nr. 1 in der Gesamtwertung gekürt haben.
Ich gehe durch die Läuferschar und entdecke meinen Sportfreund Markus aus meinem Laufverein. Er ist schon seit Jahren Stammgast hier und wird heute in einer tollen Zeit von rund 3 ½ Stunden ins Ziel laufen. Viele Läufer haben auch Sprüche auf ihrem Lauf-Shirt. Zwei laufen heute mit einem Seil verbunden, an dem ihre Startnummern der letzten Jahre hängen. Sie werden nach rund 7 Stunden im Ziel sein.