Salzsieder, Steinzeitjäger und Germanen
2.06.2013 von Bernd Neumann
Wo heute rund 10.000 Menschen ihrem Hobby dem Laufen frönen haben vor 12.000 Jahren Steinzeitjäger Feuerspitzen für Jagdspeere hergestellt. Bei ihnen ging es nicht darum ihren Körper aus gesundheitlichen Gründen zu bewegen, sondern es war der Überlebenskampf etwas zu erjagen um die Familie zu ernähren. Heute ist das anders die Menschen müssen sich wieder bewegen und darum gibt es mittlerweile auf der ganzen Welt Sportveranstaltungen.
Heute hat es mich ganz kurzfristig ins Land der Salzsieder und Hexenrichter nach Salzkotten gebracht. Wie schon der Name sagt, in Salzkotten (Salzsieden in Kotten) wurde hier aus der geförderten Sole in Siedebecken durch Verdampfung Salz gewonnen. Kotten sind meist abseits der dörflichen Gemeinschaft gelegene Wohnhäuser oder Werkstätten. Die Stadt nennt sich auch Stadt am Hellweg. Ein Hellweg war im Mittelalter bzw. in vorrömisch-germanischer Zeit eine wichtige Heeres- sowie auch Handelsstraße. Eine Lanzenbreite musste die lichte Weite, die damals ca. 3m lang war, immer freigehalten werden.
Vor drei Wochen bin ich nur 25 km südlich von hier in Rüthen gelaufen wo es im 16. und 17. Jh. noch zu Hexenprozessen und Verbrennungen kam. Auch hier in Salzkotten gab es das und ein gewisser Heinrich von Schultheiß gelangte hier sogar Anfang des 17. Jh. zur Zeit der Hexenverfolgungen zum berüchtigten Hexenrichter.
Heute werden in Salzkotten keine Hexen verfolgt, sondern Läufer verfolgen Läufer in einem friedlichen Wettstreit in verschiedenen Disziplinen. Es gibt in diesem Jahr eine neue Laufstrecke. Der neue Rundkurs zwischen Salzkotten und Verne ist 10,55 km lang und muss von den Halbmarathonis 2mal und von den Marathonis 4mal durchlaufen werden. Das Sälzer-Zehntel startet in Verne. Das Startgeld für den Marathon liegt zwischen 23 € und 28 € bei Voranmeldung und plus 4 € für Nachmelder. Die Startunterlagenausgabe und Nachmeldebüro befindet sich in der Sälzerhalle, ganz in der Nähe von Start und Ziel.
Für Läufer die wie ich per Auto (1 Stunde 80km) nach Salzkotten kommen gibt der Veranstalter folgende Beschreibung: Salzkotten liegt an der B1 zwischen Paderborn und Soest. Von der A33 nehmen Sie die Abfahrt Salzkotten/B1 oder von der A44 die Abfahrt Geseke/B1. Parkmöglichkeiten sind über die B1 aus Richtung Geseke und Paderborn ausgeschildert und stehen am Freibad „Sälzer Lagune“ und an der Sälzerhalle in ausreichender Anzahl zur Verfügung.
Mein Marathonstart erfolgt um 9 Uhr. Heute bekommen wir Marathonis aber keinen Zeitvorsprung um nicht die letzten zwei Runden einsam durch die Landschaft zu traben sondern es starten um die gleiche Zeit auch Halbmarathon-, Staffelmarathon und 10km-Teilnehmer. Der Zielschluss für den Marathon ist um 15:00 Uhr, was moderate 6 Stunden Laufzeit beinhaltet.
Also 7 Uhr Abfahrt ins 9.500 Einwohner zählende Salzsieder-Städtchen. Freundliche Helfer weisen mich zum Parkplatz an der Sälzerhalle in der ich auch schnell und unkompliziert meine Startunterlagen, eine prall gefüllte Tüte mit viel Papier und einigen Give-aways, sowie natürlich die Startnummer erhalte. An der Startnummer ist ein Einmal-Transponder für die Zeitmessung angebracht, der nach der Veranstaltung seine Funktion verliert und somit auch nicht mehr abgegeben werden muss.
Im letzten Jahr mussten die 114 Marathonis mit 1.271 Läufern auf der Strecke einen wahren Regenlauf überstehen. Wer in den letzten 4 Wochen gelaufen ist dem ist es auch nicht anders ergangen. Heute ist der Wettergott uns gnädiger, die Voraussage für heute ist zwar am Morgen noch sehr kühl aber trocken.
Unser Startplatz ist jetzt nicht mehr der Rathausplatz sondern ca. 200 m vorher neben dem Bürgerturm. Von der Sälzerhalle sind das nur 3 Minuten zu Fuß. Da wir im Laufe der Strecke nicht mehr direkt am Gradierwerk vorbeikommen nutzen viele den Weg an der 50 m langen Saline entlang. Kurz danach überqueren wir erst einen kleinen Bach und dann die Heder. Hier steht auch das rekonstruierte Wasserrad von 1987. Dieses Wasserrad hatte früher die Aufgabe die Solepumpen anzutreiben. Das ältere größere Rad wurde vor ca. 90 Jahren abgerissen. Der etwas kleinere aber immerhin 3 Tonnen schwere Nachbau wurde durch den Förderverein für kulturhistorische Bauten Salzkotten neu errichtet.
Auf dem Startplatz treffen so nach und nach rund 650 Läufer ein. Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Start und in den vorderen Reihen wird es sehr eng, denn jeder will schnell losrennen. Viele 10km Läufer sind in der ersten Reihe, denn es gibt auf der 10,55 km Runde eine offiziell vermessene 10 km Strecke mit offizieller Zeitnahme. Die Marathonis, die man an den unterschiedlichen Farben der Startnummer erkennt reihen sich mehr nach hinten ein.
Es erfolgt der Startschuss und die Meute hetzt los durch die schmale Marktstraße. Obwohl es hier sehr eng ist gibt es keine Rempeleien, alle laufen vernünftig los. Schon nach 200 m geht es über den großen und breiten Marktplatz vorbei am späteren Zieleinlauf.
Es heißt jetzt rechts halten und vom Marktplatz rechts ab in die Klingelstraße, wo sich neben uns die dreischiffige frühgotische Hallenkirche St. Johannes Baptist emporschraubt. Wir werden hier noch dreimal vorbeikommen.
Kurz danach laufen wir über einen Parkplatz und kommen auf die Lange Straße die auch gleichzeitig die B1 ist. Zwischen den vielen Geschäften erblickt man auch wunderschön verzierte Ackerbürgerhäuser im Barock-Renaissance-Stil. Die meist zweigeschossigen Fachwerk-Giebelhäuser haben dekorative Schnitzereien über den Eingangstüren.
Am Ende der Straße laufen wir direkt auf das Westerntor zu in deren Durchgang die Kanoniere der St. Johannes Schützenbruderschaft Salzkotten eine Kanone aufgestellt haben. Neben dem Westerntor gehörten zur alten Stadtbefestigung auch noch das Vielser Tor und das Osterntor.
Wir biegen ab auf den Wallgraben. Gleich hinter dem Westerntor liegt die ehemalige alte Salzkottener Ölmühle die früher auch als Oel-, Grütze- und Sägemühle genutzt wurde. Hier ist ein ganzes Ensemble von historischen Gebäuden wie ein Backhaus mit Stellmacherei und Schmiede.
Nun folgen wir ein Stück der B1 die in früher Vorzeit eine uralte Handelsroute war, die von der belgischen Küste bei Brügge bis in die russische Stadt Novgorod führte. Hier schieße ich auch ein schönes Foto von Manfred Stronczyk, Start Nr. 5410 der in Kassel seinen 100. Marathon gelaufen ist. Im Hintergrund läuft mit der Start-Nr. 87 Kerstin Gebert-Sommer ihren 2. Marathon. Neben ihr läuft ihr Mann der sich heute nur für die 10 km angemeldet hat und seine Frau auf der 1. Runde begleitet. Er ist letzte Woche den Knastmarathon gelaufen.
Wir unterqueren die Eisenbahnlinie und laufen am Ortsende neben dem Industriegebiet Breite Werl entlang. Die Bundesstraße ist heute extra für uns Läufer gesperrt worden und überall von Polizisten abgesichert. Zur Linken haben wir Natur pur. Am Ende der Straße biegen wir ab auf die Stadtteiche, die ich aber nirgends finden kann. Wir überqueren die Heder, die ein 11,8 km langer Nebenfluss der Lippe ist.
Jetzt kommt ein kleiner Anstieg zur Siedlung von Klein-Verne. Erst kommt der Versorgungsstand und dann vor einem restaurierten Bauernhaus ist eine große Gruppe der Bewohner und hat Tische und Bänke aufgestellt, um die Läufer zu feiern. Dies schon vorweggenommen ist mein absoluter Favorit auf der gesamten Laufstrecke, die man viermal genießen darf. Klein Verne bestand früher aus großen Bauernhöfen, die heute jedoch in eine fast komplette Wohnsiedlung mit einer tollen Gemeinschaft sich gewandelt hat. Nebenan gibt es eine Marienstatue und gleich daneben eine Hüpfburg für die Kleinen.
Nach einem knappen halben Kilometer kommen wir auch die Landesstraße eine wunderschöne Allee die uns mit viel Gegenwind nach Verne führt.
Unterwegs gibt es aufbauende Sprüche für die Läuferschar. Dann erreichen wir Verne. Dieses 2.400 Seelendorf ist einer der ältesten Wallfahrtsorte von Westfalen. Bevor wir jedoch zur Wallfahrtskirche kommen biegen wir am Ortseingang auf die Von-Asseburg-Straße ab. In der Verlängerung der Straße hinter den neuen Häusern befindet sich die Burgruine Vernaburg auch Krewetburg genannt. Sie war in Besitz des alten niedersächsischen Adelsgeschlechts der von der Asseburg. Rechts unterm Baum sitzen Anwohner und machen ihren Frühschoppen.
Im Ort ist das 5-km Schild und eine Zwischenzeitnahme. Kurz danach ist ein Teil der Dorfgemeinschaft damit beschäftigt einen Bierpils und Grill in Gang zu bringen. Hier gibt es in den folgenden Runden noch richtig Stimmung.
Bei unserem nächsten kleinen Anstieg zur katholischen Pfarrkirche St. Bartholomäus werden wir schon von weitem mit einem großen Transparent „Wir grüßen alle Läufer“ herzlich begrüßt. Auch hier entwickelt sich im Laufe der nächsten Runden ein Fest.