5. Lausitzer Seenland Marathon

Laufen im Südosten von Brandenburg durch ehemalige Tagebaustätten

 

08. Juli 2017 von Bernd Neumann

 Heute geht es in den Südosten von Brandenburg nahe der sächsischen Grenze in die Lausitz. Ober- oder Niederlausitz, es geht in die Oberlausitzer Teich- und Heidelandschaft nahe Senftenberg. Wie schon bei den letzten zwei Marathonveranstaltungen bin ich mit meinem Neuen Auto unterwegs in dem ich auch schlafen werde. Geplant ist eine Rundreise mit 5 Übernachtungen. Es ist Donnerstagmorgen und los geht es über die Landstraße und Autobahn bis zur Lutherstadt Eisleben. Nach rund 180km komme ich nahe des Luthergeburtshauses an und beginne dort meinen Rundweg durch die Weltkulturerbe-Stadt. Seit 1946 führt die Stadt den Beinamen „Lutherstadt“ zu Ehren Martin Luthers dessen Geburts- und Sterbehaus hier steht.

 Martin Luther erblickte hier das Licht der Welt am 10.11.1483. Das Geburtshaus ist beim Stadtbrand 1689 bis auf die Grundmauern abgebrannt. An gleicher Stelle steht heute ein Memorialgebäude von 1693 in dem sich ein Museum befindet. Durch die Lutherstraße vorbei an Luthers Taufkirche St.-Petri-Pauli-Kirche komme ich über den Jüdenhof auf den großen Marktplatz. Er trägt den Namen zu Recht, denn heute ist Markttag und so schaut die Bronzestaue von Martin Luther über die Marktstände hinaus. Oben vor Kopf steht das historische Rathaus das Anfang des 16. Jh. erbaut wurde. Über einige Treppen erreiche ich die dahinterstehende Andreaskirche.

 Sie bildet mit ihren zwei Hausmannstürmen den historischen Mittelpunkt der Altstadt. Sie wurde Ende des 12. Jh. erstmals erwähnt aber erhielt ihre heutige Form erst Ende des 15. Jh. Die St. Andreaskirche besaß 1531 vierzehn Altäre wie z. b. einen Petrusaltar, Marienaltar oder einen Fronleichnamaltar. Auf der Kanzel hielt Luther seine letzten vier Predigten bevor er ganz in der Nähe verstarb. Das ehemals vermutete Haus ist heute ein stark frequentiertes Museum. Tatsächlich soll er im heutigen Hotel „Graf von Mansfeld“ verstorben sein am 18.2.1546.

 Auf der Kanzel der St. Andreaskirche wurde in den 20er und 30er Jahren des 16. Jahrhunderts morgens die katholische Messe gelesen und am Nachmittag eine evangelische Predigt abgehalten wurde.

 Von Eisleben fahre ich weiter nach Collm zur ältesten Linde in Sachsen die weit über 1000 Jahre alt ist. Hier wohnt mein Lauffreund Günter mit Frau. Er hat lauffrei und so komme ich gerade recht zur Kaffeezeit.

 Nach dem Aufenthalt geht es weiter gen Osten und so mache ich nochmal halt in Wurzen das an der B 6 liegt. Durch die Stadt laufen auch der Ökumenische Pilgerweg sowie die mittelalterliche Via Regia und auch die alte Salzstraße Halle – Prag. Wurzen ist seit 900 Jahren Domstadt mit dem romanisch spätgotischen Dom St. Marien. Auf der Wurzener Stadtflur (Crostigall) gibt es schon seit 6.000 Jahren Siedlungen die wie der Name slawischen Ursprungs sind. Urkundlich wurde Wurzen 961 in einer Urkunde Ottos I. als Vurcine und Civitas erwähnt. Auf dem schönen großen Marktplatz steht ein Brunnen der an einen der berühmtesten Söhne der Stadt erinnert an Joachim Ringelnatz.

 Von dort gehe ich durch die Wenceslaigasse zur Stadtkirche St. Wenceslai die jedoch geschlossen ist. Diese evangelisch-lutherische Stadtkirche wurde als dreischiffige Hallenkirche erbaut in den Jahren 1663-1673 und nach dem böhmischen Fürsten Wenzel von Böhmen benannt. Im 54 m hohen Turm gibt es eine Türmer-Wohnung die über 160 Stufen erreichbar ist. Sie wurde noch bis 1911 bewohnt von einer Familie. Ganz in der Nähe steht eine kursächsische Postmeilensäule von 1724. Auf der anderen Seite steht nur wenige Meter entfernt in der Crostigall das Geburtshaus von Joachim Ringelnatz.

 Joachim Ringelnatz der hier am 7.9.1883 geboren wurde ist als Schriftsteller, Kabarettist und Maler sehr bekannt. Seine Kunstfigur Kuttel Daddeldu ist Kult geworden. Zu Ehren von Ringelnatz wurden durch Spenden finanzierte Säulen mit Sprüchen von ihm in der Stadt an verschiedenen Stellen aufgestellt. Sehr schöne Säulen die einem einladen zu verweilen und zu lesen.

 Ich gehe weiter zum Dom St. Marien. Wie so oft gab es auch hier einen Vorgängerbau aus den Anfängen des 12. Jh. Ende des 13. Jh. wurde dann diese Kirche erweitert und es wurde direkt das Schloss an die Nordseite angebaut. Es besteht eine bauliche Verbindung zum Dom über die Alte Kustodie. Obwohl nach der Reformation im Dom schon evangelische Gottesdienste abgehalten wurden bewohnten noch katholische Bischöfe das Schloss.

 Anfang des 20. Jh. wurde im Inneren viel erneuert, da viele alte Dinge nicht mehr zu erhalten waren. Vor der Reformation hatte der Dom sieben Altäre.

 Sehr schön ist das Gewölbe des Westchores wo sich auch die Orgel befindet. An der neuen Kanzel hängen Apostelköpfe und auch das Domherrengestühl ist neu. Der Bildhauer Georg Wrba fertigte auch die Kreuzigungsgruppe1931/32. Als Lesepult wurde eine Figur eines nackten Athleten nachgebildet.

 Im Schloss das im spätgotischen Stil mit Elementen der Frührenaissance in den Jahren 1491 – 1497 erbaut wurde befindet sich heute ein Hotel. Damals wurde es als Bischofsresidenz erbaut von Bischof Johann VI. von Saalhausen.

 Mit den Texten auf den Säulen hat Joachim Ringelnatz mit seinem Wappen im oberen Teil und einem Spruch aus seiner unendlichen Sammlung wohl einen würdigen Platz bzw. viele Plätze in Wurzen.

 Anschließend fahre ich weiter zu meinem Hauptziel nach Großräschen zum Seenland 100. Das Lausitzer Seenland (Lausitz sumpfige feuchte Wiese) befindet sich ganz im östlichen Zipfel von Brandenburg und Sachsen und zieht sich bis ins polnische Niederschlesien. Genau genommen unterteilt sich dieses Gebiet in die Niederlausitz und in die Oberlausitz.

 Hier treffe ich mich mit Dieter und Heike. Wir wollen hier gemeinsam das Wochenende sportlich verbringen. Da Dieter noch gehandikapt ist können nur Heike und ich morgen den Marathon laufen. Rund 200m vom Start- und Zielpunkt gibt es eine Wiese die als Wilder Zeltplatz für dieses Wochenende für die Sportler zur Verfügung steht. Hier platzieren wir auch unsere Fahrzeuge wo wir die nächsten 3 Nächte verbringen werden.

 Die Orte Groß- und Kleinräschen wurden erstmals 1370 erwähnt wobei Kleinräschen der ältere Ortsteil ist und als Angerdorf erwähnt wurde. 1925 wurden die Orte zusammengelegt. Früher wurde hier meist nur sorbisch gesprochen. Die Sorben sind ein anerkannter Volksstamm in Deutschland deren Siedlungsgebiet zwischen Spreewald und Görlitz sowie links und rechts der Spree waren. Nach Hochrechnungen von 1990 soll es noch rund 40-60.000 Sorben geben.

 Großräschen besteht aus 5 Stadtteilen und 7 Ortsteilen mit knapp 8.700 Einwohnern. Ende des 19. Jahrhunderts zur Zeit des Braunkohlenbergbaus wurden viele Menschen aus Böhmen, Polen und Schlesien hier sesshaft wobei die sorbische Kultur und Sprache immer mehr verdrängt wurde. Um 1900 wurden hier reichte Tonvorkommen entdeckt und es gab einen Boom auf Ziegel. Hier in Großräschen erfolgte sogar die Ausbildung für Ziegler für die gesamte DDR. Vor rund 25 Jahren brannte die letzte Ziegelei hier ab und wurde dann abgerissen. In den 1980er Jahren wurden viele Menschen umgesiedelt um die Braunkohle hier zu fördern. Was von damals übrig ist sind die großen Braunkohlelöcher die heute schon zum größten Teil geflutet sind. Es entsteht hier eine riesiges Freizeitgebiet für die Bevölkerung.

 Das Veranstaltungszentrum für dieses Wochenende ist nicht mehr wie bei meinem Marathon in 2013 in Senftenberg sondern hier am Hafen in Großräschen-Süd. Eine Landschaft die mich stark an die ehemaligen Tagebaulöcher von Bitterfeld erinnert. Auch hier hat man eine herrliche Seenlandschaft künstlich angelegt.

 Der Lausitzer Seenland 100 ist nicht nur eine Laufveranstaltung sondern auf drei Tage verteilt gibt es hier ein großes Sportangebot von Laufen, Biken, Walken, Skaten und Tretrollerfahren. Insgesamt gibt es 30 Disziplinen und Strecken für die Freizeitsportler.

 Auch dieses Jahr gibt es wieder den Marathonlauf über die klassische Distanz von 42,195 km aber nicht mehr wie bisher am Samstag oder Sonntag sondern am Freitagnachmittag. Man will hiermit die ganze Veranstaltung entzerren. Für heute ist der Termin jedoch sehr ungünstig gewählt denn die Temperaturen sind für heute über 35 Grad angesagt.

 Die verschiedenen Wettbewerbe werden alle von hier aus starten führen aber zu den verschiedenen anderen Seen. Die Startunterlagen gibt es ab 15 Uhr in der Sporthalle am Hafen (wird zur Zeit noch geflutet soll aber nächstes Jahr voll Wasser sein). Für langsame Marathonläufer gibt es die Möglichkeit einen Frühstart um 16 Uhr zu machen während der Hauptstart um 17 Uhr erfolgt. Heike, ich und auch noch einige andere Läufer wollen früher los.

 Wie schon oft treffe ich auch heute wieder Marathonläufer die ich bzw. die mich kennen. Heute sind es Marion und Jochen Konradt aus Siegen die auch schon in Kassel bei Sylke gelaufen sind. Dann heißt es nochmal runterkühlen am Hydranten wo es frisches kühles Wasser gibt.

 Dann machen sich fast ¼ der heutigen Marathonläufer fertig für den Frühstart. Nach einigen Fotos und Anweisungen durch den Starter geht es um 16 Uhr los bei über 35 Grad in der Sonne.

 Rechts von uns ist der neue und zukünftige Stadthafen und links von uns liegt das Seehotel Großräschen. Vom Startbogen aus laufen wir die rund 500 m bis zum Kreisel. Wir nehmen die 2. Ausfahrt die uns zwischen den Bäumen auf den asphaltierten Weg parallel zum See führt.

 Wir folgen rund 2km dem Weg der hier über einen Deich führt. Der anfängliche Sonnenschutz durch Bäume ist schon nach dem ersten Kilometer weg und wir werden ganz schön aufgeheizt. Gut das es nach ca. 2,5 km schon Wasser gibt. Heute darf man keine Wasserstation auslassen da die Gefahr der Hydration heute sehr groß ist. Bei dem See begann man im März 2007 mit der Flutung des ehemaligen Tagebaus Meuro. Im Lauf der nächsten 12 Monate sollen die Inseln die jetzt noch im See zu sehen sind alle geflutet sein.

Wir laufen die nächsten 2,5km dem Großräschener See entlang, der bis 2011 noch Ilsesee hieß. Nach dem Km 4 gibt es eine Versorgungsstation mit allem was das Läuferherz begehrt.

 Hinter dem Info-Stand wo wir jetzt natürlich keine Zeit für haben steht ein großer Betonklotz. Es ist ein Horizontalfilterbrunnen mit Wasseraufbereitung des Grundwassers. Nach den vielen Bodenentwässerung für den Tagebau kommt das Grundwasser wieder und gefährdet die ganze Natur und die Dörfer im Umkreis. An verschiedenen Stellen des ehemaligen Tagebaus wurden deshalb moderne Filterbrunnen Systeme entwickelt und gebaut. Hier wird das Grundwasser über Steigleitungen nach oben gepumpt und in diesem Fall in den See geleitet zur schnelleren Flutung.

 Wir folgen dem See weiter bis zum Ilse-Kanal. Er soll später auf einer Länge von 2km die Seen Großräschen und Sedlitzer See verbinden und dann auch für kleinere Schiffe befahrbar sein. Zwischen den Seen liegt eine viergleisige Bahnstrecke sowie die Bundesstraße 169. Es wurde ein 186m langer Tunnel gebaut der die Seen verbindet. Für uns Läufer heißt es ab in einer Schleife runter zum Tunnel und durch.

 Auf der anderen Seite sieht man, dass es noch an einigen Metern Wasserstand fehlt bis hier Schiffe verkehren können. Wir folgen ein Stück dem Kanalbett und laufen dann in einer Schleife über den angrenzenden Sedlitzer See. Bis hierher sind es 5 km.

 Der Sedlitzer See gehört auch zum Lausitzer Seenland der einer der 30 künstlich geschaffenen Seen ist. Durchflossen wird der See von der Schwarzen Elster.

 Die nächsten Kilometer führt die Laufstrecke im Uhrzeigersinn fast 2/3 um den Sedlitzer See. Mit einer Wasserfläche von 1330 ha ist er z. Zt. der größte künstliche See hier im Lausitzer Seenland.

 Bei km 7,5 gibt es wieder Wasser was ich gern nehme und mir schon jetzt immer wieder über den Kopf gieße um den Kreislauf stabil zu halten, denn gefühlt haben wir jetzt schon 40 Grad wegen der starken Sonneneinstrahlung auf die Laufstrecke. Nach Süden und Südwesten haben wir freien Blick zum See was auch bedeutet, dass es hier keinen Schutz durch Bäume gibt vor der starken Sonne. Kurz vor 10km gibt es wieder Versorgung und dann kommt der Wendepunkt für die Halbmarathonläufer die um 19 Uhr gestartet sind.

 Die Lausitz ist ein sumpfig-feuchtes Gebiet das sich auch bis nach Polen reinzieht. Es wird unterteilt in die Niederlausitz, Oberlausitz und Lausitzer Gebirge. Die Bevölkerung die hier in der Frühphase der Völkerwanderung lebte wurde durch germanische Hermuduren assimiliert die dann zur Zeit der großen Völkerwanderung zum großen Teil nach Thüringen abwanderten. Dann kamen die slawischen Sorben und besetzten dieses Gebiet und vermischten sich mit der noch hier lebenden Bevölkerung. So gibt es hier heute noch viele sorbische Feste und Gebräuche. Viele Straßenschilder sind hier zweisprachig und wenige sprechen noch die alte sorbische Sprache.

 Kurz hinter dem Wendepunkt kommen wir beim Km 11 an dem kleinen Dörfchen Lieske vorbei. 1474 wurde das Straßendorf erstmals erwähnt unter dem Namen Leszk. Anfang der 1970er Jahre lebten hier noch rund 220 Menschen. In den 1960er Jahren fiel ein Teil des Dorfes dem Tagebau zum Opfer. Das Kirchenschiff der Dorfkirche ist ein Fachwerkbau mit einem holzverkleideten Kirchturm. Sehenswert ist der schlesische Taufengel in der Kirche. Taufengel gab es in der Barockzeit als lebensgroße androgyne Engelsfiguren die dann durch einen Seilzug bei Taufen mit dem Becken in der Hand runter gelassen wurden.

 Bei ca. km 13,5 überqueren wir den Rosendorfer Kanal. Die schiffbare Verbindung verbindet den Sedlitzer See mit dem Partwitzer See. Er ist 440m lang und hat eine Sohlbreite von 4 Metern.

 Am nächsten Versorgungspunkt kurz vor Km 16 gibt es eine Richtungsänderung. Der Pfeil auf dem Boden zeigt geradeaus aber nur für die RTF (Rad-Touristik-Fahrt). Für uns Läufer zeigt auf der linken Seite ein großer roter Pfeil „links abbiegen“.

 Die nächsten 600 – 800 Meter gibt es ein wenig Schatten bevor wir wieder auf dem Radweg in die knalle Sonne kommen. Wir sind jetzt in einer Wendeschleife wo mir auch schon viele Läufer entgegen kommen. Bei ca. km 17.5 gibt es wieder Wasser. Trinken kühlen und trinken und kühlen und dann weiter über den Barbarakanal bei km 18. Der Barbarakanal verbindet den Geierswalder See mit dem Partwitzer See. Der Kanal ist schiffbar auf seiner Länge von 1.150m.

 Der Kanal wurde nach der Heiligen Barbara benannt die die Schutzpatronin der Bergleute ist. Einer Sage nach soll sie im 3. Jh. in der Nähe von Izmir gewohnt haben. Ihr heidnischer Vater, ein reicher Kaufmann, sperrte seine Tochter immer in einen Turm wenn er auf Reisen ging. Die einsame Tochter lernte das Christentum kenne und ließ sich heimlich taufen. Dies geschah alles zur Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Decius. Als der Vater davon erfuhr wollte er seine Tochter vom Christentum loslösen. Als ihm das nicht gelang hat er sie mit seinem Schwert selbst geköpft. Der Vater wurde kurz danach vom Blitz getroffen und starb daran. Die Tochter Barbara starb für ihre Nächstenliebe und den Glauben. Die Bergleute verehren sie da sie bei ihrer Flucht Gott anflehte ihr einen Felsspalt zu zeigen um Schutz vor dem Vater zu finden. Sie fand einen Felsspalt wie auch die Bergleute beten das Gott ihnen einen Spalt zum Erz zeigen möchte.

 Dann kommt noch ein kurzes Waldstück was aber auch kaum Schatten bringt. Bei ca. Km 20,4 ist der Wendepunkt. Hier steht ein Posten der darauf achtet das man um das Schild rum läuft.

 Weiter geht es durch die Sonne. Ab und zu überholt mich ein Run & BikeTeam. Das sind 2 Personen die sich die Marathonstrecke aufteilen. Es darf immer nur einer auf dem Fahrrad sein während der andere läuft. Man kann sich so oft man will abwechseln.

 Eine Matte zur Kontrolle ob auch jeder bis hierher gelaufen ist bevor er umdreht gibt es nicht.

 Nun geht es wieder zurück über den Barbarakanal und weiter bis zum Versorgungsposten 6. Nun müssen wir noch in eine kurze Wendepunktstrecke von ca. 800m Länge laufen über den Sornoer Kanal.

 Kurz vor der Kanalbrücke haben wir den freien Blick auf den „Rostigen Nagel“. Der 30m hohe Stahlkoloss Rostiger Nagel wurde für fast 1 Mill. € errichtete und 2010 durch den Sonderpreis des Deutschen Stahlbaus ausgezeichnet. Er ist auch ein Aussichtsturm und kann über 162 Stufen erklommen werden. Den Namen hat er erhalten durch die rostbraune Patina. Wir haben leider keine Zeit ihn zu erklimmen und überqueren den Sonoer Kanal. Kurz danach kommt die Wende.

 Wie ich später vor einigen Läufern erfahren habe war der Wendepunkt direkt hinter der Brücke nicht gut genug gekennzeichnet, dass einige weiter gelaufen sind. Einige sollen diese Schleife einfach abgekürzt haben. An den Wendepunkten müssen unbedingt Zeitmatten oder Ordner stehen die die wenigen Startnummern notieren müssen.

 Wir haben bis hierher rund 26km gelaufen und nun geht es zurück zum Startpunkt. Die Sonne ist noch immer kräftig am Strahlen und die Temperaturen bewegen sich noch immer über 35 Grad. An jedem Posten muss man viel Wasser nachtanken. Auch der Kopf muss runter gekühlt werden. Die Hoffnung ist das es nach dem Sonnenuntergang ein wenig kühler wird.

 Erst auf den letzten rund 6km wo es langsam dunkel wird, wird es ein wenig kühler. Meine Gehpausen werden immer länger, denn die enorme Hitze hat mit viel Kraft genommen. Ich überhole sogar noch einen Halbmarathonläufer der von der Hitze total fertig ist. So werde ich heute zwar letzter der Marathonläufer aber nicht der letzte Läufer im Ziel.

 Die letzten 5 Kilometer laufe ich schon im dunkeln Richtung Ziel. Die Posten haben noch gewartet und so werde ich bis ins Ziel sehr gut versorgt.

 Hinterm Ziel gibt es eine Uhr die meine Zeit und auch den Namen anzeigt. Geschafft im doppelten Sinn, die Strecke und mich selbst. Mein 216. Marathon ist geschafft und gleichzeitig die Nr. 16 in diesem Jahr. Die Nettozeit ist 6:24:11.

 Noch während ich an der Versorgung hinterm Ziel bin werde ich aufgefordert zur Siegerehrung, denn ich habe den 2. Platz in der AK M65 erreicht und werde mit einem schönen Pokal noch geehrt. Heike gewinnt die AK W50 in einer Zeit von 4:30:48.

 Ins Ziel kamen heute 54 Marathonläufer wobei die schnellste Zeit heute von einer Frau gelaufen wurde. 24 Run & Bike Marathon-Teams, 97 Halbmarathon-Läufer, 12 Halbmarathon-Walker, 87 10-km Läufer, 100 5-km Läufer sowie noch viele weitere Teilnehmer auf den anderen Disziplinen.

Marathonsieger:

Männer

1.     Tino Blank                    Brandenburg an der Havel         3:20:51

2.     Bernd Schwiebs           Bautzener LV Rot-Weiß 90        3:29:27

3.     Heiko Bremer                Senftenberg                             3:30:59

Frauen

1.     Grit Stich                      Radebeul                                 3:16:54

2.     Julia Jezek                   Die Laufpartner                         3:25:35

3.     Isabell Raabe               Marathonverein Eibenstock       3:36:14

 Nach der ausgiebigen Versorgung mit viel alkoholfreiem Bier konnten wir noch in der großen Sporthalle duschen. Anschließend ging es ab in die Autos zum Schlafen.

Am nächsten Morgen wurden wir von der Sonne geweckt. Aufstehen waschen und dann sind wir zum Zielhaus im Hafen zum Frühstücken gegangen. Hier gab es eine große Auswahl für 5€ bis 9 Uhr, denn dann mussten die Damen zum Start/Zielbereich als Helfer.

 Ab 7 Uhr sind heute sehr früh schon viele Radtourenfahrer unterwegs. Der Samstag ist der Radfahrertag mit vielen Radwettbewerben und auch Skaterennen. Für uns sehr interessant als Zuschauer dies alles ganz nah zu erleben. Bei den Radwettbewerben waren sogar frühere Radrennfahrer der DDR dabei, die das Land früher international vertreten haben. Heute fahren viele noch in ihren Altersklassen bei Wettbewerben beim Zeitfahren oder auch beim Tourenfahren. Um 17:30 Uhr endeten die Skate- und Radwettbewerbe.

 Ab 18 Uhr gab es dann noch eine 3km und einen 10km Lauf. Heike wollte nochmal laufen und startete auf der 3km Strecke wo sie ihre AK wieder gewonnen hat und 4. Frau im Gesamteinlauf war. Bei herrlichstem Sonnenschein relaxten wir noch den Rest des Tages.

 Ab 22 Uhr gab es noch über dem See ein Höhenfeuerwerk das wir aus unseren Autos beobachten konnten.

 Auch am 3. Tag dem Sonntag gab es noch Skate- und Radwettbewerbe bis Mittag. Anschließend sind wir rund 45km gen Norden in den Spreewald gefahren. In Lübbenau in der Dammstraße befindet sich der größte Hafen des Spreewaldes.

 Der Spreewald wird im niedersorbischen auch „Die Sümpfe“ genannt und ist aus den vielen Flusslaufverzweigungen der Spree entstanden. Diese Auen- und Moorlandschaft wird von unzähligen Kanälen durchzogen. Auf traditionalen Holzkähnen die per Holzstecken bewegt werden kann man eine Stunde oder ganze Tagestouren durch die Kanäle unternehmen. Die Fließe haben eine Gesamtlänge von über 970 Kilometern. In dieser Kulturlandschaft existieren rund 18.000 Tier- und Pflanzenarten. Der Spreewald wird auch als Biosphärenreservat geschützt.

 Da wir gegen Abend ankommen haben die meisten Kähne schon Feierabend. Es gelingt uns jedoch noch einen Schiffer zu finden der eine 1 ½ stündige Kahnfahrt mit uns durch die Fließe macht.

 Unsere Tour führt uns vorbei am Schloss in Richtung Kaupen. Auf diesem Stück gibt es auch viele Bootsverleihe für Kanus oder Kajaks. Jetzt gegen Abend ist es aber ruhig auf dem Wasser und uns begegnen nur wenige Boote.

 Wir fahren an vielen Inseln vorbei die teilweise nur über schmale Brücken zu Fuß erreichbar sind. An manchen Stellen gibt es auch Gasthäuser die typische Spreewälder Produkte anbieten. Typisch sind auch die Verkaufsstände am Wasser wo man die Original Spreewälder Gurken probieren und kaufen kann.

 Über den Lehder Graben fahren wir bis zum Ort Lehde. Der Ort wurde 1315 erstmals erwähnt. Vor rund 90 Jahren lebten hier 300 Einwohner in den typischen Kaupen. Heute leben hier nur noch 150 Einwohner. Jedes Grundstück im Ort hat einen eigenen Wasserzugang.

 Nach unserer Kahnfahrt haben wir in Lübbenau noch gegessen und sind anschließend nach Burg im Spreewald gefahren. Dort haben wir auf einem Parkplatz im Ort übernachtet. Vorher waren wir noch im Biergarten vom Deutschen Haus. Ein Gasthaus noch nach altem Stil (50er bzw. 60er Jahre) wo im Saal ein runder Geburtstag gefeiert wurde.

 Am nächsten Morgen ging es gen Westen in Richtung Elbe. Bei Elster an der Elbe haben wir einen Stopp eingelegt und sind runter an die Elbe gegangen. Der Ort Elster liegt direkt an der Elbe und wurde von der Jahrhundertflut vom Hochwasser der Elbe 2002 überflutet. Da die Polder nicht ausreichten wurde jetzt dem ganzen Ort entlang Betonmauern errichtet. Gegenüber mündet die Schwarze Elster in die Elbe.

 Nach kurzem Aufenthalt fahren wie weiter ins 13km entfernte Wittenberg oder wie es seit 1936 offiziell heißt Lutherstadt Wittenberg.

 Ganz Deutschland feiert in diesem Jahr 500 Jahre Reformation. Die Reformation (Erneuerung) ist eng mit dem Namen Martin Luther und seinem Anschlag der 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg (1517) verbunden. Die Person Martin Luther ist umstritten denn er hat nicht nur die Wende und Spaltung in der Kirche erreicht sondern er war ein Verfechter der Hexenverbrennung und hat verschiedene Minderheiten verfolgen lassen.

 Wir wollen heute auf seinen Pfaden seiner größten Wirkungsstätte ein wenig wandeln und so führt uns unser erster Weg zur Schlosskirche. Das alte Holztor wo er die 95 Thesen anschlug gibt es nicht mehr. Sie wurde bei einem Brand im 18. Jh. zerstört. Heute sind seine 95 Thesen in Bronze gegossen. Darüber prunkt ein Tympanon mit Christus am Kreuz vor der Silhouette der Stadt Wittenberg, dem knienden Luhter mit der deutschen Bibel und Melanchthon mit dem Augsburger Bekenntnis.

 Die Stadt Wittenberg wurde dank des ernestinischen Kurfürsten Friedrich III. (der Weise) ende des 15. Jh. das geistige Zentrum des Humanismus. Als Residenzstadt mit einer freien Universität wurde sie eines der wichtigsten deutschen Zentren politischer, kulturgeschichtlicher und künstlerischer Bedeutung. Aus dieser Zeit stammen auch die meisten UNESCO-Weltkultuerebestätten wie die Schlosskirche, die Stadtkirche St. Marien, das Lutherhaus und auch das Melanchthonhaus.

 An dieser Stelle wurde um 1340 durch den Askanier Rudolf I. die Kapelle Allerheiligen erbaut. Der Kurfürst Friedrich der Weise ließ in den Jahren 1490 – 1515 das gesamte Schloss neu errichten wobei die Schlosskirche den Nordflügel bildet. 1883 zu Luthers 400. Geburtstag wurde die Kirche im neugotischen Stil umgebaut als „Denkmal der Reformation“. Kaiser Wilhelm II. war bei der Weihe im Oktober 1892 dabei.

 Schon weithin sichtbar ist der 88m hohe Schlosskirchturm. Auf dem zylindrischen Turm befindet sich eine neugotische Turmhaube. Unterhalb wurde ein Spruchband aus Mosaiksteinen gestaltet wo die ersten Worte des wohl bekanntesten Kirchenliedes „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen“ zu lesen sind.

 Zu Zeiten von Martin Luther lebten in Wittenberg ca. 2000 Menschen in meist Lehmhütten mit Strohdächern. Es gab aber auch schon Steinhäuser wie die Kirchen, das Schloss oder einige Bürgerhäuser. Durch die Verbreitung der Thesen wurde Wittenberg bekannt und zog viele Gelehrte und Studenten in die Stadt und an die Universität. Hätte es damals nicht einen Weisen Kurfürsten gegeben der gegen die katholische Kirche eine freie Universität einrichtete würden heute wohl noch Ablassbriefe verkauft werden. Die erste Lutherbibel wurde in Wittenberg gedruckt. Ende des 16. Jh. wurde in der Stadt eine Trinkwasserversorgungsanlage, das Röhrwasser errichtet.

 Geht man rund 300m die Schlossstraße entlang kommt man an den großen Marktplatz. Um den Platz befindet sich ein harmonisches Ensemble von Bürgerhäusern. Auf dem Platz stehen Denkmäler von Martin Luther und Philipp Melanchton sowie der Marktbrunnen. Das große Rathaus am Platz entstand in drei Stilepochen. Hier befanden sich auch fast 500 Jahre die Steuerstube, die Akzisestube und die Stadtschreiberei.

 In der Nähe befinden sich auch die Cranachhöfe. Folgt man der Collegienstraße kommt man am Melanchthonhaus vorbei. Hier im Renaissancestil erbautem Haus lebte und starb der Reformator Philipp Melanchton. Folgt man der Straße weiter kommt man zum Augusteum.

 Das Augusteum gehört zur Universität Wittenberg und beherbergte das evangelische Predigerseminar. Durch das Eingangsportal gelangt man in den früheren botanischen Garten der Universität. Im Hintergrund befindet sich das Wohnhaus Martin Luthers. Die Augustinermönche erhielten Anfang des 16. Jh. das Grundstück des Heiliggeisthospitals am Elstertor.1504 begannen sie mit dem Bau der Bildungsstätte und einem Schlafhaus für die Mönche. Interessant sind die Gesichter im Stein der Portale.

 Auf dem Rückweg zum unseren Autos kommen wir an der großen Stadt- und Pfarrkirche St. Marien vorbei. Die heute im gotischen Stil umgebaute Kirche war die Wirkungsstätte von Martin Luther und Johannes Bugenhagen (Reformator und Weggefährte Luthers). In dieser Kirche wurde zum ersten Mal die Heilige Messe in deutscher Sprache abgehalten und auch das Abendmahl mit Brot und Wein durchgeführt. Sie gilt damit als die Mutterkirche der Reformation.

 Über die Schlossstraße vorbei an der Schlosskirche kommen wir zum Stadtpark wo auf der Schlosswiese ein Paradiesgarten gebaut wurde. Künstler der Universität Berlin haben hier einen biologischen Kreislauf gebaut der zeigt wie sich die Natur erneuern kann. Dieser beständige Rhythmus ist wie der Kreislauf des Lebens.

 Wir verlassen am späten Nachmittag die Stadt der Reformation und fahren weiter gen Westen an die Goitzsche-Seen.

 Die Goitzsche ist eine Seenlandschaft bei Bitterfeld. Geografisch sind wir etwa 25 km nordöstlich von Halle an der Saale, etwa 35 km nördlich von Leipzig und rund 60 km süd-westlich von der Lutherstadt Wittenberg. Wo heute der Landschaftspark Goitzsche ist wurden vor rund 100 Jahren Braunkohlevorkommen entdeckt und so mussten den gefräßigen Baggern ganze Dörfer weichen. Bis 70m tief wurde die ehemalige Naturlandschaft ausgefräst. Sogar die Mulde wurde verlegt. Heute befindet sich hier ein Freizeitparadies. Auch der schlechte Ruf der größten Chemiestadt Bitterfeld ist Vergangenheit, denn der Freizeit- und Landschaftspark Goitzsche grenzt direkt an die Stadt Bitterfeld-Wolfen.

 In der Nähe der alten Villa fanden wir direkt am See einen ruhigen Schlafplatz. Am nächsten Morgen waren wir in Bitterfeld-Wolfen am Marktplatz frühstücken. Bevor es jedoch nach Hause ging sind wir nochmal zum Bitterfelder Bogen gefahren.

 Der schon von weitem sichtbare Stahlbogen steht hoch oben auf einer Hochkippet. Diese Bogenkonstruktion hat eine Rampe auf der man ganz sanft im Zick-Zack nach oben gehen kann und von dort einen schönen Fernblick über die Stadt und die Goitzsche-Seenlandschaft hat. Der 540 m lange Wanderweg ist aus verzinkten Stahlrosten.

 Knapp über ½ Tonne wiegt der Stahlkoloss der im Sommer 2006 erbaut wurde. Die Idee für die ungewöhnliche Form die die Bewegung einer Baggerschaufel nachempfunden ist hatte Prof. Claus Bury. Das Zusammenspiel von konkav-konvexen Bewegungen innerhalb des Bauwerks erinnert ebenfalls an die Geschichte des Bergbaus in dieser Gegend. Während die konkave Form für die Gruben in der Goitzsche steht, symbolisiert die entgegengesetzte konvexe Form die Aufschüttung der Halde auf der der Bogen steht.

 Dann heißt es Abschied nehmen von einer schönen Reise durch viele historische Städte und Wirkungsstätten von Martin Luther. Es war mal wieder eine schöne Tour durch Laufen, Reisen mit Kultur.