6. Landgoed Twente Marathon NL 2013

„Der Schlemmermarathon im Osten Hollands“

 

12.10.2013 von Bernd Neumann

 Nach meinem Start im Oktober 2011 besuche ich heute wieder die Region Twente im Osten der Niederlande. Um sich für diese Veranstaltung anzumelden muss man sich schon frühzeitig entscheiden, denn die begehrten Plätze sind schon Mitte des Jahres alle vergeben und auf ein Glück wie 2011 will ich mich nicht verlassen. Während andere Veranstalter unter Teilnehmerschwund leiden hat der Landgoed Twente Marathon ein Luxusproblem, der Zuspruch wird jedes Jahr größer und so muss man die Teilnehmerfelder begrenzen. In den ersten zwei Jahren starteten alle Teilnehmer, sprich die Marathonläufer und die Läufer vom Duo-Marathon gemeinsam, dann musste man schon zwei Gruppen zweitversetzt starten lassen. Die begehrten Startplätze für den Duo-Marathon sind schon wenige Tage nach Anmeldeportalöffnung vergeben.

 516 Deelnemers haben sich für den Duo Marathon (combinatie met fietsen) angemeldet. Nur für den Singel-Marathon habe ich noch ein Ticket Mitte Juni erhalten. Bis Ende September haben sich hier 111 Deelnemers für den individuele Marathon vorangemeldet. In der Starterliste für den Marathon sehe ich auch einige deutsche Teilnehmer. So wird auch Maria Rolfes und HaWe Rehers vom MC100 starten.

 Der Start kostet 35€ inkl. 15 erlesenen Verpflegungsstationen oder besser gesagt 15 kulinarischen Stopps. Der Marathon trägt deshalb auch den Untertitel „Een unieke marathon met smaak“ was in Deutsch heißt “der einzigartige Marathon mit Geschmack“.

 Meine Marathon-Reise führt mich zum knapp 300km (3 Stunden Fahrzeit) entfernten Hotelanlage mitten im Grünen Het Ros van Twente, Beuningerstraat 20, 7587 LD De Lutte“. Der Start- und Zielbereich wurde schon voriges Jahr geändert, damit man auch neue Ziele und neue wunderschöne Orte entdeckt. Somit ist die Marathon-Runde auch neu, aber das gute und altbewährte bleibt erhalten und das sind die vielen kulinarischen Orte und die Gastfreundschaft der Twenter Landgüter.

 Spricht man von Twente, so spricht man vom Landgut der Niederlande, eine Gegend wo das Leben grün ist. Hier liegt am Rande des malerischen Dorfes De Lutte, in der Mitte der hügeligen Landschaft von Northeast Twente die Hotelanlage Ros van Twente. Der kleine Ort de Lutte besteht hauptsächlich aus Restaurants, Campingplätzen und kleinen Hotelanlagen. Es gehört zur Gemeinde Losser. Ganz in der Nähe liegen die Dünenlandschaft Lutterzand sowie auch das Arboretum Poort Bulten.

 Wo liegt nun der Ort De Lutte? Die kleine 460 Einwohner zählende Ortschaft liegt östlich von Oldenzaal oder besser bekannt zwischen Almelo, Enschede und Hengelo. Das ist auch der Kern von Twente. Der Name wurde vom germanischen Stamm der Tubanten abgeleitet. Die Tubanten oder Tubanti ließen sich gegen Ende der Völkerwanderung in dieser Gegend nieder. Im Jahre 14. n. Chr. unterstützten sie Völker der Region im Kampf gegen den römischen Feldherrn Nero Claudius Germanicus.

 Die Region Twente hat heute noch eine eigene Hymne die die Verbundenheit zu diesem Gebiet zeigt. So heißt es im Text u.a.: Es liegt zwischen Dinkel und Regge ein Land - Unser schönes und fleißiges Twente - das Land der Arbeit, das Land der Natur - unser stets gepriesenes Twente - dort winkt auf den Feldern das goldene Korn - am schnell fließenden Bach das Mühlrad sich dreht - dort liegt die Heide im roten Kleid - das ist unser so kostbares Twente.

 Die Temperaturen sind heute Morgen sehr unfreundlich, es sind nur so 8 Grad aber es ist trocken. Ich komme eine Stunde vor dem Start an und sehe, dass schon viele Fahrzeuge auf der großen nassen Wiese parken. Damit auch alle Fahrzeuge auf der Wiese parken können hat man große Metallplatten als Fahrweg gelegt. Sollte es regnen wird uns wohl ein Schlepper alle rausziehen müssen. Neben den Autos gibt es einen extra abgesperrten Platz wo jetzt schon viele Fietsen geparkt sind.

 Hier im Osten der Niederlande stehen zwei bzw. drei Sportarten im Focus, das Radfahren (fietsen) und das Wandern (wandeln) und was mich natürlich heute hier betrifft das Laufen (loopen). Vor dem Laufen steht das Autofahren und so erreiche ich den kleinen Ort De Lutte kurz hinter der Grenze. Von hier aus sind es nur noch 3 km und ich komme zum Landgut Het Ros van Twente. Das ist für heute unserer Marathonzentrum.

 Gestartet wird wieder in zwei Gruppen. Die erste Gruppe startet um 9:30 Uhr und die zweite Gruppe startet um 10:00 Uhr. Wer nun in welcher Gruppe startet ist durch einen farblichen Punkt gekennzeichnet auf der Startnummer. Die Marathonläufer können je nach Wunsch in der 1. Gruppe starten, die Duos müssen sich nach ihrem Farbpunkt richten.

 Neben der klassischen Laufstrecke die 42,2 km lang ist gibt es auch den Duo-Start wobei sich über die gleiche Länge 2 Personen abwechseln können mit Laufen oder Fahrradfahren. Eine Person muss immer laufen und eine Person immer Radfahren. Man kann sich so oft wie man will abwechseln, jedoch die Mitnahme auf dem Fahrrad führt zur Disqualifikation. Dies wird auch auf der Strecke überwacht durch die Streckenposten und die Bromfiets-Rijders (Mopedfahrer) in ihren langen braunen Ledermänteln.

 Die Laufzeit ist auf 15:30 Uhr festgelegt, egal ob erste oder zweite Gruppe. Die erste Gruppe wo meist die Marathonis drin sind müssen also nach 6 Stunden und die zweite Gruppe mit den Duos müssen also nach 5 ½ Stunden im Ziel sein. Man nimmt diese Zeit als Richtzeit, denn wenn auch langsamer Läufer dabei sind die um die 6 ½ Stunden brauchen werden auch noch herzlich empfangen.

 An der Startunterlagenausgabe haben sich schon Schlangen gebildet, aber es geht hier alles sehr zügig. Anschließend wird jeder Starter noch ins Warme gebeten und mit einem heißen Kaffee und gebuttertem Rosinenkuchen empfangen. In der warmen Hotelhalle ist es sehr eng, da viele Teilnehmer sich noch aufwärmen wollen. Hier treffe ich auch wieder einige Marathonis mit denen ich letzte Woche gelaufen bin.

 Dann heißt es fertig machen für den Start. Maria und HaWe sind auch da und so gibt es erst ein Foto. Dann auf zum Start neben dem Hotelgebäude. Es wird langsam eng. Eine Life-Band spielt um die Läufer aufzuwärmen. Dann kurz vor dem Start kommt ein Stück was wohl die neue Landgoed-Hymne sein muss. Plötzlich sind alle am Mitsingen, natürlich in Holländisch, von dem ich leider nur wenig verstehen kann. Die Leute sind alle begeistert und es kommt eine Superstimmung auf.

 Dann kommt der Startschuss und wir biegen auf die Zufahrtsstraße ab. Erst die Läufer  und dahinter folgen die Fahrräder vom ersten Pulk. Die ersten Kilometer ist es sehr voll auf der schmalen Straße. Leider gibt es auch wieder Fahrräder die müssen kreuz und quer schon durch die Läufer fahren. Hätten die mehr Geduld ginge es viel besser, denn die wechseln doch erst nach 5km.

 Das Anfangstempo liegt sehr hoch. Um mich rum laufen alle ca. 9,5 km/h. Beim Blick nach hinten sehe ich nur Fahrräder. Das Tempo ist doch viel zu schnell. Ich lasse mich nach hinten fallen und siehe da es gibt auch langsamere Läufer. Ich pendle mich so auf 8km/h ein.

 Wir biegen ab und kommen in ein Waldstück. Jetzt erkenne ich die Gegend wieder, wir sind auf dem Weg zum Lutterzand, einer Dünenlandschaft. Es vorbei an dem mit Reed gedeckten Restaurantgebäude. Dann geht es sehr wellig durch eine Dünenlandschaft.

 An manchen Stellen müssen die Radfahrer absteigen und runterschieben, weil es steil und rutschig ist. Hier will ein Radfahrer ein Foto von mir machen. Ich gebe ihm meine Kamera. Das Bild wird leider nichts. Weiter geht’s.

 Der Lutterzand ist eine Treibsandfläche die zum Teil noch urtümlich erhalten ist. Manche Stellen hat die Natur so in der letzten Eiszeit geformt. Heute ist dies ein Naturschutzgebiet in dem es viele Baumarten und auch seltene Vögel wie den Bussard, Buntspecht oder auch die Heidelärche oder den Ziegenmelker gibt. Der Lutterzand wird von der Dinkel durchflossen, so dass hier auch der Eisvogel heimisch ist.

 Wir kommen wieder auf eine Asphaltstraße der wir weiter folgen. Bei km 5 sind viele Duos die hier halten und sich abwechseln. Die Radfahrer ziehen ihre Überhosen aus und rennen los, die Läufer ziehen sich wärmer an um jetzt auf dem Rad nicht zu frieren. Dieses Bild wiederholt sich jetzt laufend bis ins Ziel.

 Es geht über die Bahnlinie und kurz danach sind wir an der großen Scheune (km 5,4) wo damals in 2011 die Pfannkuchen-Bäcker waren. Heute gibt es in der Scheune für uns den ersten kulinarischen Stopp. Wie immer müssen die Fahrräder in einem Extrabereich abgestellt werden. Dann kommen auch sie mit in die Scheune.

 Wir werden mit Wasser und einer warmen Suppe versorgt. Ich kann kein Schild entdecken. Dem Geschmack nach ist es Tomatensuppe mit Croutons. Auf der anderen Seite der Scheune geht es raus.

Wir verlassen den Hof zwischen Wohngebäude und Stallungen. Kurz danach am nächsten Hof gibt es einen Ruheplatz für Wanderer und Radtouristen mit Tisch und Bank. An einem alten Küchenschrank steht Koffie zur Selbstbedienung, für ehrliche Bezahler. Hier biegen wir rechts ab auf einen schmalen Radweg (Fietspad), der leicht wellig ist.

 Nun laufen wir über die Dinkel über eine sehr rutschige Brücke. Vorsicht langsam, denn in 2011 ist hier eine Läuferin fast in den Fluss gerutscht. Neben der Laufstrecke liegt ein riesiger Dinkelsteen.

 Die Laufstrecke führt uns durch viel Grün und an Wiesen entlang. Kurz vor km 9 biegen wir in den Park Arboretum Poort Bulten ein. Hier wurde auf Initiative der Textilhersteller HJH Gelderman durch den Architekten Leonard Anthony Springer vor rund 100 Jahren ein Arboretum (lat. Arbor der Baum) gestaltet. Hier findet man auf über 10ha 2500 Bäume und Sträucher mit 1000 verschiedenen Arten. Nebenan ist noch ein angegliedertes Naturschutzgebiet mit einer Badelandschaft. Besonders exotische Bäume die hier zu finden sind ist der Tulpenbaum, die österreichische und ungarische Eiche, der Trompetenbaum aus China, der Wimpelbaum aus Westchina, der chinesische Tempelbaum sowie auch der Mammutbaum aus Kalifornien mit einem Umfang von 6 Metern.

 Wir durchlaufen den Park rund einen Kilometer und kommen an den nächsten Menschenauflauf. Hier gibt es leckere Amuse-Gueules mit wahlweise Wein oder Wasser und nebenan Life-Musik. Ein Restaurant bereitet hier ganz frisch diese Häppchen zu. Echt, echt toll was man hier alles geboten bekommt. Also leckeres essen und dazu ein Glas Wein und danach noch etwas Wasser.

 Wir verlassen den Park durch ein Gatter und folgen dem Fietspad in Richtung Autobahn. Direkt auf der Brücke über der A1 haben wir die ersten 10km geschafft.

 Es geht weiter am Bahndamm entlang. Dann sehe ich wie die Läufer am Bahnübergang warten müssen, denn es kommt ein Zug. Schnell noch ein Foto und schon ist die Laufstrecke wieder frei.

 Unsere Laufstrecke führt uns zum Teil auf der Gildehaus-Gelderland-Radroute entlang. Am Waldrand kurz vorm Landgoed Wilmersberg kommen uns nach und nach Oldtimer der Marke Triumph entgegen.

 Es handelt sich hierbei um eine Oldtimer-Rallye. Es ist jetzt für Fahrräder, Läufer und Autos sehr eng und so muss man viel Rücksicht walten lassen. Da viele die Autos bewundern halten die meisten an und so kann man gut passieren. Es ist eine sehr große Gruppe sodass ich viele Oldtimer-Fotos machen kann.

 Dann bei km 12 sind wir am Landgoed Wilmersberg, einer sehr schönen Parkanlage. Auch hier gibt es wieder einen Menschenauflauf, denn es gibt hier den nächsten kulinarischen Stopp. Wir umlaufen ein Stück der Anlage und werden unter dem Eingangsportal mit Leckereien empfangen. Eine ganz tolle Lachscreme mit Spargel verwöhnt uns hier. Das Tablett ist ruck zuck leer und so kommen laufend neue Schälchen nach. Natürlich gibt es auch für den Durst etwas.

 Weiterlaufen oder Weiteressen das ist hier die Frage? Ich entscheide mich für weiterlaufen, denn es sind gerade erst ein Viertel-Marathon rum.

 Wir verlassen die Parkanlage in Richtung Oldenzaal. Über die Rhododendron Laan umrunden wir ein Gestüt. Die Straße heißt nicht nur so sondern ist von über 2m hohen Rhododendronbüschen eingesäumt. Zur Blütezeit muss dieser Weg ein Blütentraum sein. Danach biegen wir auf einen rutschigen Single-Trail ab der uns in ein Waldstück bringt.

 In der Region Twente wechseln sich tiefe Wälder, uralte Heidefelder sowie Hochmoore mit knorrigen Bäumen ab. So gibt es hier auch uralte Mythen und Sagen. Geschichten von Spukhasen und Höllenhunden kursieren in dieser Gegend die auch noch durch diese sogenannten Kulissenlandschaften unterstützt und am Leben gehalten werden. Heute Morgen spukt es aber nicht, weder im Wald noch in den Feldern.

 Nach einem kurzen Waldstück überqueren wir die Bentheimer Straße und kommen zum Anwesen Egheria hinter km 15. Hier sind wir auf einem 85m hohen Moränenberg, dem höchsten Punkt in der Region Overijssl.

 Um uns rum nur grün und dann dieses weiße herrschaftliche Haus hier mitten drin. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts (1908) hat hier der Textilunternehmer HJ ten Cate auf dem Tankenberg sich ein Anwesen gebaut. Der Name Egheria ist entstanden durch die ersten Buchstaben der Vornamen seiner Söhne, Egbert, Henry und Richard Arnold. Das ganze Anwesen hat 161 ha an Fläche. Die heutigen Besitzer Louis Koopman und seine Frau Frederiek haben für die Läufer die Türen geöffnet. Die Radfahrer müssen außen ums Haus rum. Wir laufen direkt durch den Flur, wo ein Trio spielt, auf die Terrasse. Hier werden die Läufer und natürlich auch die Radfahrer kulinarisch verwöhnt. Es gibt hier Rotwein und gegenüber frischen Schinken. Das ist wirklich lecker, der Wein schmeckt Klasse und dazu der leckere salzige Schinken der frisch von der Keule geschnitten wird.

 Ich trinke natürlich wieder und esse auch. Eine Fotografin nimmt meine Kamera und schießt ein Foto von mir. Auf der Terrasse und der Wiese dahinter sieht es aus wie bei einer großen Gartenparty.

 Bei dem leckeren Schinken muss ich dann nochmal kurz nachfassen. Bei den vielen Bikern und Läufern auf der Wiese hat man das Gefühl die wollen nicht mehr weiter so gut gefällt es ihnen hier. Dann heißt es aber doch weiter über die Parkwiese in den Wald.

 Es geht weiter durch Feld und Wald meist über asphaltierte Radwege. Die Sonne kommt hin und wieder durch den beginnenden Herbstwald. Die schöne sehr abwechslungsreiche Landschaft hat hier etwas Beruhigendes. Es geht vorbei an einzelnen Gehöften.