Marathonlauf auf der Chinesischen Mauer
Lauf- und Erlebnisreise vom 2.09. - 16.09.2013
2.9. – 16.09.2013 von Bernd Neumann - Teil 2 - Fotos: Bernd Neumann, B. Vielhaber, C. Dietrich
Unser nächstes High-Light an diesem Tag wird der Besuch des Yonghe-Tempels (Lamatempel) sein der auf der anderen Straßenseite vom Konfuzius-Tempel sich befindet.
Dieses ehemalige Kloster ist eine der größten und besten restaurierten lamistischen Tempelanlagen außerhalb von Tibet. Der ehemalige Palast des Friedens und der Harmonie war ehemalige Residenz des Prinzen Yinzhen Mitte des 18. Jahrhunderts. Vor 33 Jahren wurde die gesamte Tempelanlage mit seinen vielen Hallen, Figuren und Buddha-Statuen restauriert und steht heute als eine der schönsten Tempelanlagen jedermann zur Besichtigung frei. Eintritt kostet es allerdings. Viele Gläubige kommen hier her und zelebrieren ihren Glauben durch das Abbrennen von vielen Räucherstäbchen.
Diese Räucherstäbchen wurden vor Jahrhunderten von buddhistischen Mönchen nach China gebracht. Sie werden auch als joss-sticks bezeichnet dessen Deutung Glücksstäbchen oder Schicksalsstäbchen sein soll. Der Rauch wird im Feng-Shui dem Qi zugeordnet, was eine reinigende Wirkung haben soll. Der Rauch ist jedoch stark gesundheitsgefährdend und führt zu Lungenleiden und Lungenkrebs.
Yonghegong wurde erst Mitte des 18. Jahrhunderts offiziell zu einem Lamakloster erklärt. Die ersten Bewohner waren 500 Mönche aus der Mongolei. Einige Jahre später zogen hier bis zu 1200 mongolische, mandschurische und tibetische Mönche ein. Anfang des 19. Jh. soll es hier seltsame Rituale gegeben haben und es begann der Verfall der Anlage.
Die in Nord-Süd-Richtung angelegte Anlage hat fünf große Hallen sowie viele kleine Nebengebäude. In der ersten Halle, der Halle der Himmlischen Könige sitzt ein Dickbauchbuddha der von den vier himmlischen Königen flankiert wird.
Die nächste Halle ist die Haupthalle Yonghedian (Halle der Harmonie und des Friedens). Beim Betreten der Halle erblickt man drei große Buddha-Statuen. Es sind die Buddhas der drei Welten, Sakyamuni (dem Buddha der Gegenwart), Maitreja (der Buddha der Zukunft) und Kasyapa (der Buddha der Vergangenheit).
Entlang der Seitenwände befinden sich 18 Arhats. Diese Buddha-Schüler sollen nach dem buddhistischen Glauben das Nirwana erreicht haben und die buddhistische Lehre verbreiten.
Die dritte Halle ist die Halle des Ewigen Schutzes. Hier befindet sich die Statue des Amitabha, der Buddha von unermesslicher Lebenszeit, rechts von ihm Bhaisajyaguru, der Buddha der Medinzin, und links von ihm Sinhanada, der Buddha der Stimme der buddhistischen Gottheit. heilenden Buddhas.
Die vierte Halle ist die Halle Falundian (Halle dess Buddhistischen Rades) und Ausbildungsbereich der Mönche. Damals war die Halle leer, als Symbol der höchsten Weisheit und des Ziels alles Seins. Heute herrscht hier Tsongkhapas, der Gründer der tibetischen Gelbmützensekte. Hier werden auch die zwei wichtigsten tibetischen Schriftensammlungen, das Kanjur in 108 Bänden an der westlichen Wand und das Tanjur in 207 Bänden an der östlichen Wand, aufbewahrt.
Die fünfte Halle ist die Wanfuge (Pavillon des Zehntausendfachen Glücks) auch Dafolou (Gebäude des Großen Buddhas) genannt. Der Mittelteil dieser Halle ist dreistöckig und damit hier die höchste Halle.
Es ist das höchste Bauwerk des ganzen Lamaklosters. Hier steht eine 18 Meter hohe Statue des Buddhas Maitreya. Die Fotos musste ich versteckt aus der Hüfte knipsen, denn hier war absolutes Fotografierverbot, das auch überwacht wurde. Der gesamte Stamm aus Sandelholz misst 26m von dem 6m in die Tiefe zur Verankerung gesetzt wurden. Es war ein Geschenk des 7. Dalai Lama an Kaiser Qianlong.
Nach den Innenbesichtigungen setzen wir unseren Rundgang fort und so entstehen viele Fotos von den wunderschön verzierten Gebäuden. Den Tag beschließen wir mit einem gemeinsamen Abendessen.
Fr. 06.09.13: Es ist der Tag vor dem schweren Mauerlauf und so kann jeder sein Tagesprogramm frei gestalten. Beim Schlendern durch unsere Hotelanlage sind mir diese zwei schönen Wandbilder aufgefallen, die ich dann auch gleich digital festgehalten habe. Am Vormittag bin ich dann wieder in unseren Stadtteil gegangen und habe mich ein wenig umgesehen und den Rentnern im Park beim Kartenspiel und beim Mah-Jongg zugesehen.
Am Nachmittag treffen wir uns alle im Hotelgarten zur Wettkampfbesprechung für unser morgiges High-Light dem Lauf auf der Chinesischen Mauer. Der Münchner Wichart Hölscher der Initiator des Marathonlaufes auf der Großen Chinesischen Mauer hat vor 16 Jahren als ihm die Stadtläufe zu langweilig wurden die Idee gehabt auf der Chinesischen Mauer zu laufen. Aus der Idee wurde erst Mal ein Dauerlauf durch die Chinesischen Behörden, den er dank Ausdauer und Durchsetzungsvermögen nach mehr als einem halben Jahr Verhandlungen gewonnen hat.
In diesem Jahr findet nun schon die 16. Veranstaltung und hoffentlich noch lange nicht die letzte statt. Seine Devise ist „Die Läufe sollen etwas Besonderes sein. Sie sollen in Erinnerung bleiben“. Wichart informiert uns oder wie es im neudeutsch heißt, es findet ein Briefing statt. Es gibt 3 Strecken aus denen man wählen konnte, Marathon, Halbmarathon oder 10km Lauf. Die Startgebühr die jetzt hier bezahlt wird ist für alle Reiseteilnehmer 40€. Externe Teilnehmer zahlen mehr. Hierfür bekommt jeder Finisher eine ganz besondere Ehrenurkunde sowie einen Pokal. Anschließend findet im Hotelgarten unsere Spaghetti-Party statt.
Samstag, 07.09.13: Am nächsten Morgen heißt es sehr früh aufstehen, denn unser Start- und Zielplatz befindet sich rund 120 km nordöstlich von Peking in der Provinz Hebei. Im Frühstücksraum des Hotels versucht jeder seinen Tag vor diesem ganz besonderen Event mit eigenen Ritualen zu beginnen. Während einige ganz ausführlich frühstücken bekommen manche kaum was runter. Einige sitzen ganz in Gedanken versunken am Tisch, andere lenken sich durch erzählen ab. Jeder versucht mit seiner Nervosität vor diesem ganz besonderen Lauf umzugehen. Dies ist nun schon mein 123. Marathon aber auch ich bin ganz gespannt was mich heute erwartet.
Die Länge der chinesischen Mauer wird nach neuesten Erhebungen (Juni 2012) mit 21.196,18km und 43.721 Einzelobjekten und Standorten angegeben. Nach anderen Vermessungen gibt es auch andere Längen wo teilweise Fundamente oder andere Baureste mit gemessen wurden. Die lange chinesische Mauer besteht aus mindestens 16 verschiedenen Großen Mauern und ist somit ein Geflecht aus Bauwerken. Egal wie lang sie nun ist, sie ist das bekannteste Bauwerk Chinas und so gigantisch das man sie als das größte Bauwerk der Welt bezeichnen kann.
Rund 35 Personen werden gleich mit dem Bus losfahren. Neben unserer Reisgruppe die aus Deutschen, Italiener und Österreicher besteht werden jedoch auch noch andere Nationen starten. Es läuft alles sehr routiniert ab und um 5:30 Uhr fahren die Busse los. Unsere Route führt uns in nördliche Richtung über die S11 zum Mauerabschnitt Jinshanling im Berggebiet des Kreises Luanping. Wir verlassen die Hauptstadt und kommen in eine ländliche Gegend. In der Nähe des Highways befinden sich kleine Gemüsegarten die bald von Weiden und Flusslandschaften abgelöst werden. Dann tauchen langsam die ersten Gebirgszüge auf über die auch die Große Mauer verläuft.
Begonnen wurde mit dem Bau im 7. Jh. v. Chr., allerdings noch mit Stroh, Reisig und festgeklopftem Lehm. Später begann dann der Bau als Schutzwall gegen die kriegerischen Völker aus dem Norden. Die Mauer wurde in verschiedenen Abschnitten in vielen Jahrhunderten nach und nach erbaut, von dem heute der größte Teil am Zerfallen ist. Im Bereich nördlich von Peking ist der in den 1950er Jahren zum Teil restaurierte und besterhaltene Teil. Die Höhe und Breite der Mauer ist ganz unterschiedlich wie auch die Türme je nach Bauphase ganz unterschiedlich sind. Es gibt fünf Große, mehrere tausend Kilometer lange Mauern von denen die Mauer der Ming-Dynastie wohl am bekanntesten ist.
Wir fahren an diesen Teil der Mauer bei Jinshanling, der auch von den meisten Touristen besucht wird. Neben Jinshanling kann man auch noch in den Dörfern Simatai, Huangua Cheng, Mutianyu, Juyongguan oder Badaling die alle im Umkreis von rund 50-70 km liegen durch die Besuchspunkte die Mauer besteigen. Der Eintritt liegt bei rund 50 Yuan (6,50 €).
Wir erreichen nach ca. 1 1/2 Stunden Busfahrt den Parkplatz in Jinshanling in unmittelbarer Nähe der Mauer. Jinshanling war eine strategisch wichtige Passage früherer Dynastien. Dieser Teil wurde 1570 begonnen und erhielt damals ca. alle 10m zweistöckige Türme.
Nun heißt es Rucksäcke bzw. Sporttaschen schnappen und ab zu einem der vielen Einlässe zum Mauererlebnis. Den Eintritt für uns hat Wichart schon geregelt, also los aufwärts Richtung Mauer. Nach ca. 10 Minuten haben wir das erste Mal den Blick auf die gigantische Mauer die sich wie ein Hochhaus vor uns aufbaut. Wie wir oben ankommen sind, sind wir schon erstaunt, denn überall hängen Fahnen der teilnehmenden Nationen. Wer heute Morgen Wichart vermisst hat weiß jetzt auch warum, denn er ist schon seit Stunden mit vielen Helfern vor Ort. Viele Banderolen und Hinweisschilder gibt es in Deutsch und Chinesisch. Nach den chinesischen Vorschriften müssen alle Plakate, Banner und Aufschriften ins chinesische übersetzt werden, um sicher zu stellen dass nichts Chinafeindliches draufsteht.
Auch den Aufbau der zentralen Versorgungsstelle und der drei Kontrollstellen auf der Mauer mit der Überwindung von tausenden von Stufen hat er und die chinesischen Helfer schon erledigt. Hier mussten sie unter extremen Bedingungen die Tische, Stühle, Sonnenschirme, Getränke und Lebensmittel hin transportieren. Da wir den Weg von Parkplatz bis auf die Mauer jetzt nachvollziehen können, wissen wir auch diese Leistung zu würdigen.
Beim ersten Blick auf die Laufstrecke stellt sich schnell heraus das es sich hierbei wohl um eine Kombination aus Laufen, Bergsteigen und Treppen auf- und abgehen heute handeln wird. Die Stufen habe alle unterschiedliche Höhen und Trittbreiten und sind zum Teil in sehr schlechtem Zustand.
In einem restaurierten Turm der sich am Start befindet können wir uns umziehen und unsere Rücksäcke deponieren. Erich bringt seine Kamera in Bereitschaft, denn er wird heute seien Lauf filmen.
Dann gibt es jede Menge Fotos. Hierbei können wir feststellen, dass heute auch wieder viele Chinesen das Startfeld auffüllen. In den letzten Jahren haben die Chinesen immer die Männer- und Frauensieger gestellt. Mal sehen wie es heute wird. Unser Italiener Mauritzio hat ganz besondere Ambitionen, er will unter die ersten Drei beim Marathon kommen. Die Chinesen wollen jetzt auch viele Fotos von und mit uns Langnasen wie uns nennen.
Die Laufstrecke gleicht einem Y, wo der zentrale Punkt die Mitte ist. Von dort aus geht es in jede der drei Linien 4mal hin und zurück. Am Ende jeder Strecke gibt es einen Return-Point wo man aufgeschrieben wird. Wer das geschafft hat, hat inkl. der Höhe der Treppenstufen einen Marathon absolviert. Auf Grund internationaler Vereinbarungen kann bei Extremläufen die Höhe der Treppenstufen mit als Länge gewertet werden. Für die heutigen Läufer, sprich Athleten heißt das: 1.558 Höhenmeter und 18.337 Stufen beim Marathon, 779 Höhenmeter und 9.168 Stufen beim Halbmarathon sowie 362 Höhenmeter und 4.406 Stufen beim 10-Kilometer-Lauf.
Nach den Fotos kommt jetzt der Ernst. Wir sind jetzt fertig für das Abenteuer „Laufen auf der Chinesischen Mauer“ und es kann losgehen. Der Start ist für alle drei Distanzen auf 9 Uhr festgelegt. Damit auch jeder unfallfrei ins Ziel kommt gibt es kein Zeitlimit. Mal sehen wie das heute so geht. Meinen bisher extremsten Marathonlauf habe ich ja Ende Februar auf der felsigen Seychellen-Insel Mahe gehabt. Während dem Lauf kann man auf eine kürzere Distanz wechseln wird dann jedoch nach der letzten Position in der Ergebnisliste gewertet.
Was uns wirklich erwartet kann von uns keiner abschätzen. Die Sonne steht hoch am Himmel und Schatten wird es unterwegs nur in den Türmen kurz geben. Wichart ermahnt uns nochmal vorsichtig zu sein. Wir zählen gemeinsam rückwärts und los geht`s über die erste Treppe aufwärts zum zentralen Punkt der Laufstrecke. Hier können wir schon mal die Pokale die uns erwarteten begutachten.
Hier biegen wir ab auf die ca. 3,5km lange Wendepunktstrecke. Es geht weiter aufwärts über viele Treppenstufen, alle um mich rum gehen. Dann geht es wechselnd abwärts und wieder aufwärts. An manchen Stellen geht es über extreme Stufen steil runter und nach 3 Metern wieder extrem aufwärts.
Ich verliere viel Zeit fürs Fotografieren, denn ich muss die Kamera jedes Mal aus der Tasche nehmen da ich meine Hände auch zum Klettern über die Stufen brauche. Jetzt weiß ich auch warum manche Chinesen Handschuhe anhaben. Erst beim Foto ansehen zu Hause kann ich die vielen Eindrücke von dem heutigen Lauf verarbeiten und genießen. Wie steil manche Treppe ist kommt wieder in Erinnerung nach diesem unglaublichen Lauf.
Im nächsten Turm geht es über eine steile sehr enge Treppe abwärts. Hier steht eine freundliche Helferin die einen extra warnt. Dann können wir ein Stück laufen, aber die nächsten Stufen folgen schon und alles geht langsam über die Stufen. Einen Laufrhythmus gibt es nicht, denn ständig wechseln die Stufenbreite und die Stufenhöhe.
Dann gibt es einen Fernblick über die nächsten Türme und nächsten Höhenmeter. Aber am Ende des vermeintlichen Turmes ist noch lange kein Wendepunkt. Bis dahin gibt es viele aufs und abs.
Zwischendurch gibt es in der Mitte der Mauer eine Treppe steil nach unten, wo man die Mauer durch einen seitlichen Ausgang verlassen kann. Gleich gegenüber geht es ebenso steil wieder hoch. Oben, an den seitlichen Mauerrändern gibt es einen schmalen Streifen auf dem man die Treppen meiden könnte. Hier ist jedoch äußerste Vorsicht denn es gibt keine Absicherung und bei einem Sturz geht es mehrere Meter tief aufs Pflaster. Also, lieber die Treppen die zwar mehr Zeit bedeuten aber dafür viel sicherer sind.
Es geht mal wieder ein Stück läuferisch zurück zu legen dann wieder gehen über total zerbröselte Stufen zum nächsten Turm. Davor geht es über Felsen steil aufwärts. Hier gibt es erst weiter oben vorm Turm wieder Stufen. Dann durch den Turm und weiter über viele Stufen. Da mir schon Läufer entgegen kommen kann der erste Return-Punkt nicht mehr weit sein.
Die Laufstrecke wird immer anspruchsvoller. Bei manchen Mauerausgängen kann sogar ich auf dem schmalen Streifen am Mauerrand einige Treppen meiden, aber nur manche denn Sicherheit geht vor. Es folgen noch einige heftige Steigungen zum nächsten Wachturm. Das dumme ist das die Wachtürme immer an den höchsten Stellen der Berge liegen und das heißt für uns steil aufwärts.
Dann hinter dem Turm ist die Strecke gesperrt durch einen Tisch mit Getränken und Bananen und Keksen. Jetzt heißt es das ganze zurück. Beim Blick zurück über die Berge und die vielen Türme weiß man nicht wie weit ist es bis zum zentralen Punkt. Man verliert das Gefühl für die Entfernung.
Jetzt genieße ich erst Mal die herrliche Landschaft der Berge die von der unendlich erscheinenden Mauer überzogen wird. Es ist traumhaft hier. Es geht zurück über die Mauer die sich wie eine Schlange über die Berge windet. Ich muss bei jedem Foto stehenbleiben denn ein unachtsamer Moment und ein Sturz würde das aus bedeuten. Es ist absolute Achtsamkeit gefordert.
Es geht nun zurück zum zentralen Versorgungspunkt über natürlich Tausend Treppen und durch viele Türme. Zwischendurch müssen wir auch wieder die schmale Stiege durch den Turm, diesmal nach oben.